Spremberg
(mk). Kreistag, Stadtparlament, zahlreiche Vereine - fast
überall zeigt der einstige Spremberger Bürgermeister,
Egon Wochatz, Gesicht, fast überall meldet er sich zu Wort.
Der Märkische Bote hat den Umtriebigen anlässlich seines
75-jährigen Geburtstages etwas ausgebremst, damit dieser
aus seinem rastlosen Leben erzählt.
Die Kindheit
Am Nikolaustag 1936 kam Egon Wochatz im Elternhaus in der damaligen
Bautzener Straße (heute Karl-Marx-Straße) zur Welt.
Er wächst mit einer Schwester und seinem Cousin, dessen Eltern
im Krieg starben, auf. Der Cousin Joachim Paschke wird für
ihn zu einem Bruder. Am 28. August 1942 erhält Egons Mutter,
die Näherin war, einen Feldpostbrief ihres Mannes, den Egon
Wochatz, wie viele Erinnerungsstücke, aufgehoben hat. Der
Inhalt: Vorfreude darauf, dass der Krieg vorbei ist, wenn man
Stalingrad hinter sich gelassen hat. Einen Tag nach Abstempelung
des Briefes fällt der Vater von Egon Wochatz am 29. August
1942. Erinnerungen an den Vater gibt es nur wenige. Eine stammt
von einem Fronturlaub. Nachdem Egon wortlos an einem Bekannten
vorbeigegangen war, wurde er ermahnt: Man muss die Großen
grüßen. Egon Wochatz erinnert sich, wie er darauf
an der Eingangstür zum Haus stand und jeden grüßte,
der vorbeikam.
Als Sechsjähriger hatte Egon den Wunsch, Bahnhofsvorsteher
zu werden. Der Grund: die rote Mütze. Doch sein Nachbar pflanzte
einen anderen Gedanken in seinen Kopf. Egon. Du wirst Offizier.
Dafür sorge ich, sagte der Mann, der sich des Jungen
als Art Betreuer nach dem Tod des Vaters annahm. Dafür sorgen
konnte er nicht. Der Nachbar starb beim Volkssturm. Ein Kinofilm
mit Heinrich George (Vater von Götz George) mit dem Titel:
Der Verteidiger hat das Wort, sorgte für einen
neuen Berufswunsch. Egon Wochatz wollte nun Jurist werden. Doch
die Schule sagte Nein! Es gab Planzahlen. Somit hatte der angehende
Verteidiger kein Wort mehr zu haben.
Ausbildung
Jetzt ging alles schnell. Ein Jugendfreund, dem Egon Wochatz heute
noch dankbar ist, sagte: Dann kommst du mit nach Leipzig.
Egon fragte: Was soll ich da? Darauf der Schulfreund:
Lehrer werden. Das machst du, dachte sich Egon Wochatz.
Schließlich sei er ein geselliger Typ und werde keine Schwierigkeiten
mit jungen Menschen haben. Von 1955 bis 1958 fand die Lehrerausbildung
in Deutsch und Geschichte statt.
Bei der NVA
Währenddessen war im Jahr 1956 die Nationale Volksarmee gegründet
worden. Eine Wehrpflicht gab es noch nicht. Trotzdem kam Wochatz
zur schweren Artillerie und zog im Jahr 1958 die NVA-Uniform in
Leipzig an. Bei einer Studienjahrsversammlung sind die Lehramtsstudenten
als künftige Staatsfunktionäre bezeichnet worden. Jene,
von denen man eine freiwillige Bewerbung bei der NVA, zumindest
für einen Dienst auf Zeit erwartete. Egon Wochatz wollte
zu den Fallschirmspringern. Doch der Wunsch endete in einer Ablehnung.
Wochatz vermutet, dass die Ablehnung erfolgte, weil er angegeben
hatte, Verwandte im Westen zu haben. Aus einer anfänglichen
Verpflichtung für einen Grundwehrdienst wurden fast zwei
Jahre. Die Zusammenarbeit mit den Kameraden am Geschütz und
die damit verbundene Erfahrung Teil eines Kollektivs zu sein,
will er heute nicht mehr missen. Wir waren Kinder unserer
Zeit, sagt Wochatz zu seinem Dienst am Geschütz. Nach
21 Monaten endet 1960 der freiwillige Dienst.
Der Lehrer
Aus dem Lehramtsstudenten wurde ein Leipzig-Fan. Doch bleiben
durfte er nicht. Neubrandenburg oder Cottbus. Diese Wahl hatte
der ausgebildete Lehrer. Die Wahl fiel auf Cottbus. Nach einem
Besuch beim Rat des Kreises wurde klar, dass auch im Bezirk Stellen
nicht nach Belieben frei waren. Dafür wurden aber Schulkombinate
aufgebaut, welche die Beschulungsprobleme auf den Dörfern
lösten.
Das Schulkombinat von Egon Wochatz wurde das in Graustein. Am
1. September 1960 wurde er der erste Lehrer in der Geschichte
des Ortes Schönheide. Ein Kulturraum neben dem Konsum war
sein Klassenzimmer. Als Landlehrer, sagt Wochatz, musste man alles
unterrichten können. Und Wochatz unterrichtete alles. Fast
alles: Musik hat er nie unterrichtet. Das war nicht seine Stärke.
Aber eines musste ein Landlehrer damals noch gut können:
laufen. So machte sich Egon Wochatz etwa von Schönheide nach
Graustein oder Beuthen auf den Weg, um von einem Klassenzimmer
in das nächste zu kommen.
Aus der Ehe mit einer Kollegin gingen drei Kinder hervor. Von
1965 bis 1972 unterrichtete er nach der Auflösung der Schulkombinate
an der Rosaschule (heutige BOS Spremberg). In dieser Zeit bekam
er im Jahr 1968 einen strengen Verweis. Wochatz hatte eine Erklärung
nicht unterschreiben wollen, die den Einmarsch der Truppen des
Warschauer Paktes in die damalige CSSR begrüßte.
Dank eines fünfjährigen Zusatzstudiums erfüllte
sich Wochatz im Jahr 1968 einen Traum: junge Menschen zum Abitur
zu führen. Auf die Lehrbefähigung für die Klassen
11 und 12 war er stolz. Im Jahr 1972 erfüllte er sich diesen
Traum an einer Betriebsberufsschule (Berufsausbildung mit Abitur).
Der Alkohol bremste seinen Traum im Jahr 1980 aus. Drei Gründe
nennt Egon Wochatz, warum er dem Alkohol verfallen war. Erstens:
Trinken war in der DDR üblich. Zweitens: Er war ein geselliger
Typ und kein Kostverächter und Drittens: private Probleme.
Im Jahr 1980 erfolgte ein nicht leichter beruflicher Neuanfang.
Lesen Sie in der nächsten Folge der Porträtserie, wie
aus dem Lehrer Egon Wochatz ein Politiker wurde und wie ihm trotz
Alkoholprobleme der Neustart gelang und er Bürgermeister
von Spremberg wurde.
Teil 2 der Porträtserie
Teil 3 der Porträtserie
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Seit Jahren
hat Egon Wochatz vor allem einen Wunsch an die Obst- und Gemüseverkäuferin
Birgit Heinze: Äpfel der Sorte Jonagold. Als er Bürgermeister
war, so Wochatz, habe er sich nur von Äpfeln und Pulverkaffee
ernährt Foto:
M. Klinkmüller
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