PolitPiano
Nr.79
Moderation dieser Folge: G. GRUBE
Textgestaltung: Torsten RICHTER
Ich lebe noch im Denkmal Wohnscheibe Stadtpromenade, solange
mir das kommende ECE keine Wohnqualen bereitet, sagt Peter
Schuster, Architekt und Denkmalschützer. Und weiter: Das
ECE besitzt eine Nutzungsdauer von lediglich 40 Jahren, ist also
ein Wegwerfbau. `Wegwerfbauten´ projektierte der Architekt
Peter Schuster Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre
keineswegs, sondern solide Wohnblöcke in der damaligen Stalinstadt.
Bereits mein Vater sagte, du mußt dahin gehen, wo
gebaut wird, erzählt Schuster und so baute er Teile
der sozialistischen Wohnstadt, die 1961 in Eisenhüttenstadt
umbenannt wurde, mit auf. Noch heute betrachtet der Architekt
Schuster einige Häuser als meine Kinder. Später
kam Peter Schuster nach Cottbus, wo er beim Büro für
Städtebau beim Rat des Bezirkes arbeitete. So projektierte
er unter anderem das neue Sandow mit. Über den
bekannten Dresdner Prof. Nadler gelangte Schuster zur Denkmalpflege
und brachte es bis zum Bezirksdenkmalpfleger. In solch einer Position
sind Feinde etwas Normales; man muß sie akzeptieren,
denn ohne Feinde gibt es keinen Erfolg. Kurioserweise gehörte
der Bezirk Cottbus aus denkmalpflegerischen Gesichtspunkten zu
Sachsen, da die Niederlausitz über Jahrhunderte nicht von
Potsdam, sondern von Dresden aus regiert wurde. Als einen persönlichen
Verdienst sieht Peter Schuster in Cottbus die Rettung des gotischen
Paulaner-Giebelhauses an, auch wenn dort nur noch eine Wand
stand. Gleichzeitig konnte das Gebäude am Altmarkt
22, das jetzige Mosquito vor dem Abriß bewahrt
werden. Doch welcher Zustand eines Gebäudes ist eigentlich
erhaltenswürdig? Darüber streiten sich die Gelehrten.
Bis in das vorige Jahrhundert galt die Ansicht, daß der
Zustand, wie ein Gebäude vorgefunden wird, erhaltenswert
ist. Doch auch der ästhetische Wert bis eine nicht zu unterschätzende
Rolle. Laut Denkmalschützer Peter Schuster bedeutet ein Denkmal
stets auch Stillstand, das Festhalten am Originalzustand.
Daraus ergibt sich de facto eine Symbiose zwischen Mensch
und Bauwerk. Menschen, die im Denkmal wohnen, wissen, welch enormer
Finanzaufwand dahintersteckt. Doch, laut Schuster, kann derjenige
Kosten reduzieren, der sich mit dem Denkmalschutz arrangiert.
Im Gegensatz zum Spree-Neiße-Kreis besitzt Cottbus noch
einen Denkmalfonds, der aber kaum mehr als 50 000 Euro umfassen
dürfte, mutmaßt Peter Schuster. Der Denkmalschützer
bedauert, daß wir heute auch bautechnisch in einer
Wegwerfgesellschaft leben. So gelten die Supermärkte
aufgrund ihrer geringen Lebenserwartung als fliegende
Zirkuszelte. Als ein erhaltenswertes Gebäude, das nach
der Wende entstand, gilt nach Meinung von Architekt und Denkmalschützer
das Sparkassengebäude am Breidtscheid-Platz.
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Der Cottbuser Architekt und Denkmalschützer Peter Schuster
erläutert dem Publikum und der Moderatorin Gabi Grube die
Entstehung des Tages des offenen Denkmals. Diesen gibt es seit
September 1975 auf Anregung des Internationalen Rates für
Denkmalpflege (ICOMOS)

Das Sparkassengebäude paßt sich mit dem Lobedan-Haus
(li.) nach Ansicht von Peter Schuster sehr gut in das bauliche
Ensemble am Breitscheid-Platz ein
Fotos: Richter

Pianist Wilfrid Schulze-Margraf begeisterte das Publikum mit klassischen
Klängen am denkmalgeschützten 119jährigen
Piano, gebaut in der Neißestadt Forst, im Presse-Café
DoppelDeck in der WernerPASSAGE
Foto: ha
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