Moderation dieser Folge: G. GRUBE
Textgestaltung: Torsten RICHTER
Der Haushalt ist der Nerv des Staates. Er muß dem
Blick des Volkes entzogen werden. Mit diesem Zitat eines
französischen Regierungsabgeordneten aus dem 17. Jahrhundert
brachte die SPD-Stadtverordnete Dr. Martina Münch auf den
Punkt, was der für Cottbus angestrebte Bürgerhaushalt
um jeden Preis vermeiden will. Der städtische Haushalt soll
für jeden Bürger nachvollziehbar verständlich gestaltet
werden. Wir wollen mit dem Bürgerhaushalt, dessen Ursprünge
sich in Brasilien befinden, unseren Bürgern einen Dialog
und mögliche Entscheidungswege für die Politik anbieten,
erklärt Dr. Münch. Die Ärztin und Mutter von sechs
Kindern griff das Modell der südamerikanischen Millionenstadt
Porto Alegre auf, wo nach Jahrzehnten der Korruption eine neue
Stadtverwaltung die Bürger bei politischen Entscheidungen
erstmals einbezog. Schließlich kann es sich keine
Kommune leisten, nicht auf ihre Bürger zu hören,
ist sich Dr. Martina Münch sicher. Sie stellte fest, daß
die Menschen zwar politiker- und parteienverdrossen, keineswegs
jedoch politikverdrossen sind. Sie fügte hinzu, daß
es der größte Anspruch der Verwaltung sein muß,
den Haushalt der Einwohnerschaft verständlich rüber
zu bringen. Der Cottbuser Haushalt umfaßt laut Stadtkämmerer
Ralf Wasielew-ski mehr als 1 000 Seiten. Diese könnten doch
auf sechs Seiten reduziert werden, klar und verständlich,
eben bürgerfreundlich. Wasielewski sieht im Moment für
Cottbus keine Möglichkeiten für einen sinnvollen Ansatz
des Bürgerhaushaltes. Für Dr. Münch ist es enorm
wichtig, zunächst ein Grundverständnis aufzubauen,
wo das Geld herkommt und wo es hingeht. Sie verweist auf das Beispiel
der rheinländischen Stadt Hilden, wo mit einem monopolyähnlichen
Spiel namens Hildopoly versucht wird, den Menschen
die Haushaltssituation verständlich zu präsentieren.
Aber wie steht es mit der Akzeptanz bei den Stadtverordneten?
Dr. Martina Münch: ich kann mir nicht vorstellen, daß
ernsthaft jemand dagegen ist. Außerdem seien die Kosten
für ein solches Projekt relativ gering. Die Stadtverordnete
führte als Beispiel die badische Kleinstadt Rheinstetten
an, wo lediglich Kosten von 8 000 Euro anfielen. Um
den Bürgerhaushalt in Cottbus umzusetzen, bedarf es eines
breiten Konsenses über die Parteien hinweg. Etwa drei Jahre
würde es dauern, bis das Projekt in vollen Zügen
läuft. Bereits 2004 könnte man sich eines Bereiches,
beispielsweise der Kultur, annehmen für einen Bürgerhaushalt
auf Probe. Denn ein richtiger Bürgerhaushalt
muß erst durch einen Beschluß der Cottbuser Stadtverordnetenversammlung
legitimiert werden.
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Der Bürgerhaushalt sollte als Beunruhigungspille
von den Menschen wahrgenommen werden, wünscht sich die SPD-Stadtverordnete
Dr. Martina Münch (Mi.) im Gespräch mit dem Stadtkämmerer
Ralf Wasielewski und Moderatorin Gabi Grube

Lediglich die Fraktion der PDS stimmte im Mai gegen das Cottbuser
Sparpaket
Foto: Torsten Richter

Der im Presse-Cafe DoppelDeck sehr beliebte Pianist Ilja Panzer
gab auch diesmal einen kleinen Ausschnitt seinen musikalischen
Könnens preis Foto: h.
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