Kosice
/ Ostslowakei. Am ersten Wochenende im Oktober ist Kosice,
die 240?000-Einwohner-Metropole der Ostslowakei, besonders jung
und international. Die Stadt pflegt dann eines ihrer beliebtesten
Superlative: Den ältesten Marathon Europas. Seit 1924 gibt
es den, und somit starteten die 9.000 Langstreckler dieses Jahr
zum 90. Kosicer Friedensmarathon. Wieder, wie jetzt schon seit
Jahren, gewann ein Afrikaner, Patrik Korir aus Kenia (2:09:36).
Bis Platz 10 folgten weitere Kenianer und Äthiopier, dann
der Slowake Josef Urban auf Platz 11; bester Deutscher war der
Dresdener Christian Kürten auf Platz 273 mit 1:36:58 h Rückstand.
Das war nicht immer so. Mit Truppel, Peter und Heilmann haben
1981, 1987 und 1988 DDR-Läufer gewonnen, und der Deutsche
Hempel schaffte 1926 und 1929 sogar die Wiederholung des Erfolgs.
Die Weiße Nacht
Doch die sportlichen Ergebnisse sind nicht die Hauptsache dieses
Events in der - man muss leider sagen: ehemaligen - Partnerstadt
von Cottbus. Mit Marseille (Frankreich) zusammen ist Kosice in
diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt und zeigt vor allem
den pfleglichen Umgang mit dem baulichen Erbe. Die Bürger
lieben ihre Altststadt - auch dort, wo sie noch nicht so perfekt
saniert ist. Am Vorabend des Marathons waren sie zu Zehntausenden
bis morgens drei Uhr zur Weißen Nacht unterwegs,
eine Aktion ganz ähnlich unserer Nacht der kreativen
Köpfe, die zu mehr als 40 Orten einlud, an denen Studenten,
Künstler und andere kreative Performances boten. Da galoppierten
akustisch Pferde durch die Glockengasse an der alten Stadtmauer,
schienen Figuren der Friese an Kirchen zu tanzen oder spannen
sich Goldfäden in verwaisten Fabrikhallen zu Rauminstallationen.
Der Strom der Menschen riss nie ab, ihre Begeisterung war ansteckend
- und obwohl ein halber Liter Spitzenbier hier nur 1,19 Euro kostet,
spielte Alkohol gar keine Rolle. Die Slowaken leben gut, stilvoll,
dynamisch, sehr gastlich, aber bescheiden. Das Normaleinkommen
liegt bei 340 Euro, Lehrer verdienen 600, nur die Stahlwerker
(inzwischen ein US-Unternehmen) bekommen 1 000. Hunderte Cafés
hat Kosice, alle sind vor allem voller Jugend, die kaum etwas
verzehrt, aber fröhlich kommuniziert. Und wenn sichs
ergibt, lässt sich in solchen Runden durchaus auch etwas
über Cottbus erfahren. Beide Städte vereinbarten 1978
eine Partnerschaft, und es gab vor allem in der Volkskunst, zwischen
Schulen und auf sportlichem Gebiet viel Kontakte. Die sind leider
- vermutlich beiderseits kassenbedingt - bis auf Ausnahmen abgerissen.
Trotzdem gibt es in Kosice am Westrand der Stadt eine Cottbuska
Ulica (Cottbuser Straße) und einen Supermarkt namens Cottbus.
Einen Wegweiser wie nach Wuppertal (zweite deutsche Partnerstadt,
1 490 km steht da) gibt es nicht.
Schatz und Kinderbahn
Nein, Kosicer jammern nicht, auch nicht über den viel zu
weiten Weg bis Cottbus (ca. 800 km). Sie protzen viel lieber mit
ihren Superlativen und erzählen schrullige Geschichten.
In der größten Denkmalzone der Slowakei (herrliche
1 km lange Fußgängerzone) gibt es nur ein langweiliges
Haus. Ausgerechnet in dessen Fundamenten ist 1928 der größte
Goldschatz (vielleicht auch der wertvollste) Europas gefunden
worden: 2?920 Münzen, vier Medaillen und eine über zwei
Meter lange Kette - alles aus purem Gold, manche Münzen einzigartig.
Der Schatz reiste einige Jahre durch Museen der Welt. Seit diesem
September wird er professionell im heimischen Museum präsentiert.
Allein er lohnte eine weite Reise in diese Stadt.
Aber es gibt dort auch noch den östlichsten gotischen Dom
Europas - ein Kleinod, das auch Witz hat. Der Baumeister versah
die Dachecken mit Wasserspeiern in Fabeltier-Formen. Einer allerdings
hat die Konturen seiner Frau. Weil die stark dem Weine zusprach,
bestrafte er sie zu ewigen Wasserdiensten...
Kosice hegt überdies den größten Botanischen Garten
der Slowakei, den flächenmäßig größten
Zoo Europas, hat das jüngste Flugzeugmuseum, den ältesten
Wappenbrief Europas (1369 wurde der Stadt offiziell ein Wappen
verliehen) und die älteste und einzige Kindereisenbahn der
Slowakei. Katka heißt dort die Dampflok, die
so beliebt ist, wie hier in Cottbus Puffer-Billy. Aber auch die
Bahnen haben den Kontakt leider verloren...
Jürgen Heinrich
Märkischer
Bote-Geschäftsführerin Petra Heinrich in der Cottbuser
Straße in Kosice, in der auch das Ethnografische Museum
der Stadt zu finden ist. Ein paar Schritte weiter liegt der Einkaufsmarkt
Cottbus
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Umrahmt von vielen Neubauten und den einstigen Weinbergen hat
die 240?000-Einwohner-Stadt Kosice eine große, gut erhaltene
Altstadt, die dominiert wird von einer gotischen Kapelle (13.
Jh., vorn) und dem etwas jüngeren Dom St. Elisabeth
Hauptmotiv
des Hochal-thars des gotischen Doms St. Elisabeth sind die beiden
Marien und als Namenspatronin die Heilige Elisabeth (r.) aus Thüringen
Eine Stadt
voller Geschichten: Auf dem Giebel eines der nobelsten Häuser
steht ein Bauherr und dankt seinen Sponsoren. Er hat
sich die Immobilie als Bettler verdient
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