Im
Jahr 2009 hat Wolfgang Nekovic im Spree-Neiße-Kreis
als Kandidat für Die Linke das Direktmandat erhalten. Aus
der SPD und der Grünen Partei stieg der einstige Richter
am Bundesgerichtshof aus, da beide sich an Kriegseinsätzen
beteiligten. Die Heimatzeitung sprach mit dem einzigen parteilosen
und unabhängigen Kandidaten Deutschlands über seine
Kandidatur.
Herr Nekovic, Sie sind der einzige unabhängige Bewerber.
Welches Signal wollen Sie damit setzen?
W. Nekovic: Ich könnte seit 1949 der erste parteilose
und unabhängige Kandidat sein, der in den Bundestag gewählt
wird. Insoweit kann die Lausitz Geschichte schreiben. Von hier
kann ein demokratisches Signal ausgehen.
Sind denn Parteien undemokratisch?
Nein. Viele Menschen sind aber parteiverdrossen. Im Grundgesetz
steht, dass die Parteien an der politischen Willensbildung mitzuwirken
haben. Sie haben sich diese Willensbildung aber praktisch unter
den Nagel gerissen. Hier muss ein Gegengewicht geschaffen werden.
Was gab den Ausschlag für diese Kandidatur?
Die Linke in Brandenburg hat wesentliche Wahlversprechen gebrochen.
Deswegen wollte ich nicht noch einmal auf deren Liste kandidieren
und stelle mich als Volksvertreter und nicht als Parteienvertreter
zur Wahl.
Was ist das Besondere Ihrer Kandidatur?
Die Wähler haben heute keinen Einfluss auf die Aufstellung
der Kandidaten. Sie müssen mit den Leuten vorlieb nehmen,
die ihnen die Parteien vor die Nase setzen. Ich hingegen bin von
den Bürgern des Wahlkreises aufgestellt worden. So wird mein
Wahlkampf - wie bei einer Bürgerinitiative - ausschließlich
vom Engagement meines Unterstützerkreises getragen.
Liegt Ihr Problem mit Parteien vielleicht daran, dass Sie gerne
anecken?
Nein. Für mich ist die Hierarchie der Argumente das Entscheidende
und nicht die Hierarchie der Personen. Wenn ein Argument gut ist,
überzeugt es mich. Ich ordne mich aber nicht einer falschen
Meinung unter, nur weil eine bestimmte Person sie äußert.
Machen das viele Politiker?
Das würde ich so sagen.
Warum?
Viele Politiker sind mit dem politischen Apparat und mächtigen
Interessengruppen und deren Vergünstigungen eng verwoben
und entfernen sich so von den Erwartungen der Wähler.
Können Sie als Einzelkämpfer im Bundestag überhaupt
Politik gestalten?
Man soll die Kraft der Idee nicht unterschätzen. Im Ergebnis
ist es so, dass sich gute Argumente auch durchsetzen. Ein unabhängiger
Abgeordneter hat zu allen Punkten Rederecht. Er kann Änderungsanträge
zu Gesetzen erarbeiten. Er kann Mitglied in Ausschüssen sein
und er ist frei von Fraktionszwängen.
Sind Sie mehr Politiker oder mehr Richter?
Meine politische Arbeit ist an den Maßstäben meines
Berufes orientiert. Man kann auch sagen, ich bin kein Politiker,
sondern ein Richter, der Politik macht. Für mich sind also
Wahrheit und Gerechtigkeit maßgeblich.
Das würden Parteipolitiker aber auch sagen.
Ja. Die Frage ist nur, ob man denen das glaubt.
Wie sehen Sie Ihre Erfolgschancen?
Gut. Meine Veranstaltungen werden auch von vielen Nichtwählern
besucht. Die will ich vor allem mobilisieren. Aber auch aus den
Gruppen der Linken, der Grünen, der Piraten und Attac schöpfe
ich Wähler. Ich werde auch von Konservativen und Unternehmern
unterstützt.
Schaden Sie nicht der Linken?
Nein. Ich kämpfe ja nur um die Erststimme. Bei mir wissen
die Wähler, dass sie einen Linken wählen, auch wenn
ich nicht der Linken angehöre. Ich bin somit ein unabhängiger
Linker.
Zu Ihren Themen. Sie sind gegen die Hochschulfusion?
Eindeutig. Die Landesregierung hat auf Gutsherrenart über
die Köpfe der Menschen hinweg eine Entscheidung getroffen.
Die Fusion war ein schwerer Fehler, die der Region nachhaltig
schaden wird.
Warum?
Weil eine solche Fusion im Westen schon ein großer Misserfolg
gewesen ist.
Warum importiert die Landesregierung ein aus - Ihrer Sicht
- Misserfolgsmodell?
Aus ökonomischen Gründen. Da versündigt sich die
Regierung an den Menschen. Wir haben in Deutschland eine Hochschullandschaft,
die stark von Konkurrenz geprägt ist. Wenn zwei Hochschulen
zusammengelegt werden, die von ihrer Ausrichtung her nicht zusammenpassen,
wird der absolute Stillstand organisiert. Bevor die beiden wieder
auf die Beine kommen, sind die anderen Hochschulen längst
enteilt.
In einem überregionalen Politikmagazin stand, dass, wer
in diesem Wahlkreis gegen Braunkohle ist, sein Wahlkampffähnchen
erst gar nicht auspacken braucht. Was machen Ihre Fähnchen?
Sie wehen. Ich habe den letzten Wahlkampf genau mit diesem Thema
geführt und habe gegen Steffen Reiche, einen ausgesprochenen
Kohlefreund, gewonnen.
Sie glauben also nicht, dass die Kohle ein Jobmotor ist?
Ich verstehe, dass die Menschen um ihre Arbeitsplätze bangen.
Aber ihnen wird auch Angst gemacht. Umso wichtiger ist, dass man
heute den Plan B anfängt. Die Braunkohle wird auslaufen.
Da kann man sich noch so sehr auf die Hinterbeine stellen. Die
Weber haben sich früher auch erfolglos gegen die Maschinen
gewandt. Es überlebt nur der, der sich rechtzeitig auf Veränderungen
einlässt. Man muss erkennen, wenn man Dinge nicht mehr beeinflussen
kann. Die Entscheidungen zur Braunkohle werden nicht hier in der
Lausitz, sondern in Stockholm, Brüssel und Berlin getroffen.
Welche Entscheidungen?
Ich habe mit schwedischen Politikern geredet. Es wird kein neues
Kraftwerk ohne CCS-Technologie geben. Diese Technologie ist europaweit
tot. Neue Tagebaue machen aber nur mit neuen Kraftwerken Sinn.
Den Plan B kennt niemand...
Ich fordere ja nicht, die Tagebaue von heute auf morgen einzustellen.
Der Plan B betrifft vor allem die nächsten Generationen.
Bezüglich der Arbeitsplätze werden aber immer wieder
neue, illusionäre Hoffnungen erweckt.
Versorgungssicherheit und niedrige Strompreise sind keine Argumente
für Sie?
Ein Wesenselement der Politik ist die Täuschung. Ein Unterfall
ist die Drohung und ein weiterer Unterfall ist das Schre-ckensszenarium.
Der mittelfristige Ausstieg ist eine Notwendigkeit, die sozialverträglich
gestaltet werden muss.
Was heißt mittelfristig?
Der Tagebau Welzow I kann für Schwarze Pumpe bis 2043 ausreichen.
Wir müssen aber heute mit dem Plan B anfangen.
Wer sind wir?
Die Politik, die Kammern, die Unternehmen und die Bürger
müssen gemeinsam nach Ideen suchen. Das wünsche ich
mir und dafür kämpfe ich auch.
Was muss noch in der Lausitz getan werden, damit die Wirtschaft
wächst?
Bei der Infrastruktur gibt es noch viel zu tun, wenn wir mittelständische
Unternehmen locken wollen. Der Tourismus und Wissenschaftsstandort
müssen gestärkt werden. Dazu gehört auch eine wirksame
Bekämpfung der Verockerung der Spree.
Die Familie in Lübeck. Büros in Berlin und Cottbus.
Ist das ein Problem?
Natürlich kann das anstrengend sein. Es hindert mich aber
nicht daran, mich für die Menschen der Region einzusetzen.
Ich erhalte viel Zuspruch. Der Geburtsort ist keine Garantie für
die notwendige Empathie und Sachkenntnis, um für die Belange
der Menschen hier vor Ort zu kämpfen.
Wenn Sie nicht gewählt werden. Droht der Ruhestand?
Nein. Niemand muss sich darum sorgen, dass ich bei einem Spaziergang
an der Ostsee verkümmere.
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Wolfgang Necovic´cist unabhängiger Kandidat für
den Bundestag. Unterstützt wird er etwa von den Schauspielern
Michael Becker und Gojko Mitic´. Seine Themen sind die der
Linken: Mindestlohn, Rente mit 65 und Frauenquote
Foto: M.K
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