Der
Spremberger Ulrich Freese geht bei der Bundestagswahl für
die SPD ins Rennen. Der 62-Jährige war bereits im Land- und
Kreistag, ist stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft
IG Bergbau, Chemie, Energie, sowie ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender
der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Beim Eis
essen mit seinem Enkel sprach die Heimatzeitung mit ihm über
seine Kandidatur.
Herr Freese, was war der ausschlaggebende Punkt nach Berlin
zu wollen?
U. Freese: Der ausschlaggebende Punkt ist Industriepolitik
im Allgemeinen. Zudem besteht durch die Energiewende die Gefahr
zu hoher Strompreise, so dass der Industriestandort Deutschland
in Gänze gefährdet ist. Da ich Industriepolitiker
in der Region bin und sehr vehement für den Erhalt der Braunkohle
nach der Wende gestritten habe, wollte ich diese Erfahrung einbringen,
um die Braunkohle als Brückentechnologie zu erhalten.
Es wird spekuliert, dass Ihre Kandidatur eine strategische war.
Im Falle einer rot-grünen Koalition sollen Sie den Grünen
hinsichtlich der Braunkohle Paroli bieten.
Ich habe diese Spekulation mit Freude und Schmunzeln gelesen,
wie ich auch gern vor Jahren im Spiegel gelesen habe, dass ich
der mächtigste Mann in der Lausitz sein soll. Das ehrt einen.
Ich glaube aber nicht, dass das der Hintergrund war. Ich will,
dass die SPD so stark wird, dass sie ihre Inhalte auch in Koalitionsverträge
hineinbekommt. Grün muss wissen, dass Energiewende nicht
das Ende der Braunkohleförderung in der Lausitz ist. Grün
muss wissen, dass es mit der SPD kein Kohleausstiegsgesetz geben
wird.
Ärgert es Sie, dass Ihr Name immer gleich mit Kohlelobbyist
gleichgesetzt wird?
Ich sage das, was ich immer wieder sage: Ich bin gerne Lobbyist.
Die Menschen fordern Lobbyisten. Sie wollen, dass jemand ihre
Interessen wahrnimmt. Die Menschen wissen schon, ohne eine Stimme
und zwar eine starke Stimme der Lausitz, werden ihre Interessen
nicht wahrgenommen.
Fehlt eine starke Stimme für die Lausitz in Berlin?
Wer mich aus meiner Landtagszeit kennt, weiß, dass die Lausitz
zu der Zeit wahrgenommen worden ist. Egal wo man mich hinsetzt.
Ich verschaffe mir Gehör. Ich sage immer was ich tue und
ich tue auch was ich sage.
Reicht Ihre einzelne laute Lausitz-Stimme in Berlin?
Eine laute Stimme allein reicht nicht. Sie muss auch kompetent
und vernetzt sein. Sie muss auch Durchsetzungsvermögen haben
und verlässlicher Partner sein. Ich glaube, dass meine Stimme
nicht nur laut ist, sondern auch Gewicht hat. Einzelkämpfer
bewegen nichts.
Sind Sie ein unbequemer Politiker?
Nett und verbindlich und trotzdem unbequem sein, beißt sich
nicht. Sie müssen auch mal den Mut haben, gegen den Strom
zu schwimmen. Das Thema Braunkohle ist insgesamt auch nicht bequem.
Mich kann man nicht zwingen, Dingen zuzustimmen, von denen ich
zutiefst überzeugt bin, dass sie falsch sind.
Angenommen, die SPD entscheidet sich doch eines Tages gegen
die Braunkohle. Dann würden Sie nicht der Parteiräson
folgen?
Dann werde ich dagegen stimmen. Ich bin mir ganz sicher, dass
die Region hinter mir steht. So etwas kann ich aber nicht erkennen.
Siegmar Gabriel hat sich klar und deutlich für die Braunkohle
geäußert. Die SPD weiß, dass die Braunkohle über
mehrere Jahrzehnte die Brü-ckentechnologie ins Zeitalter
der regenerativen Energie ist. Ich sehe auch die Notwendigkeit
in einem neuen Kraftwerk in Jänschwalde, weil ich nicht glaube,
dass in den nächsten Jahren auf Braunkohleverstromung verzichtet
werden kann.
Zu Ihren Themen. Die SPD wirbt auf Plakaten für mehr
Kitaplätze. Ist die Forderung für unsere Region nötig?
Wir haben aus der geschichtlichen Entwicklung heraus ein besseres
Kitaplatzangebot als in anderen Teilen Deutschlands. Hinter der
Frage mehr Kitaplätze steht auch der Wille der SPD, Kitaplätze
gebührenfrei auf den Weg zu bringen. Auch die Ausstattung
muss besser werden.
Wer finanziert das?
Zur Entlastung des kommunalen Haushaltes muss das aus Bundesmitteln
finanziert werden.
Sie fordern für Schulen ein System, das nicht aussortiert.
Also Inklusion?
Bei Inklusion denke ich nicht nur an Behinderung, sondern auch
an interkulturelle und soziale Hintergründe. Hinzu kommt
der Ausbau von Ganztagsschulen.
Ist Inklusion nicht gerade ausgebremst?
Inklusion ist in einer schwierigen Diskussion.
Fehlt es an Geld?
Ja. Es fehlt die bauliche Voraussetzung, es fehlt die pädagogische
Voraussetzung und es fehlt die sozialbetreuende Voraussetzung.
Muss der Bund hier einspringen?
Natürlich. Da Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
ist, darf die Zukunft der Kinder nicht den Ländern alleine
überlassen sein. Bildung muss aus dem Bundeshaushalt dauerhaft
refinanziert werden.
Jedes Land soll nicht mehr seine eigene Suppe kochen?
Es ist an der Zeit, über den Bildungsföderalismus neu
nachzudenken. Die Kultur- und Bildungshoheit bei den Ländern
zu lassen, scheint auf Dauer für ein Europa der Regionen
nicht mehr zeitgemäß. Es muss ein einheitliches Bildungssystem
her.
Werden sich die Länder diese Hoheit nehmen lassen?
Wenn die Verantwortung der Finanzen auf den Bund übergeht,
werden die Länder mitmachen. Auch die Inhalte müssen
dann vom Bund festgelegt werden. Wir brauchen ein Bildungssystem,
das alle Kinder auf die Reise in die Zukunft mitnimmt. Wir brauchen
Kinder und wir brauchen gut ausgebildete Kinder.
Wie stehen Sie zur Uni-Fusion?
Als Landtagsabgeordneter habe ich für den Erhalt der Hochschullandschaft
in der Lausitz gekämpft. Und das war erfolgreich. Heute geht
es darum, die Zukunft der Hochschullandschaft für die nächsten
20 Jahre zu gestalten. Mir geht es da-rum, dass das, was die Landesregierung
zugesagt hat, dass Studiengänge bleiben und neue hinzukommen,
dass es keine Personalreduzierung gibt und die finanzielle Ausstattung
erhöht wird, sehr schnell in Sack und Tüten gebracht
wird. Mir ist wichtig, dass junge Menschen aus Deutschland und
der ganzen Welt hier studieren wollen. Weltoffenheit tut dieser
Region gut. Zudem soll die Universität hier angesiedelten
Unternehmen zu neuen Ideen verhelfen, die zu neuen Produktionen
führen.
Thema Rente. Sie wollen die Rente mit 67 abschaffen?
Die Menschen sagen, dass sie nicht bis 67 arbeiten können.
Deshalb ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters eine Rentenkürzung.
Die Menschen haben einen Anspruch, dass im Alter ihre Leistung
honoriert wird.
Wie sieht das konkret aus?
Wir sind für flexible Übergänge. Wir wollen, dass
Menschen ab dem 60. Lebensjahr in Teilrente gehen können.
Sie bekommen 50 Prozent ihrer Rente und können so viel hinzuverdienen,
dass sie das wieder Netto haben, was sie vor der Teilrente hatten.
Menschen, die das 63. Lebensjahr erreicht haben und 45 Versicherungsjahre
nachweisen können, sollen ohne Abschläge in Rente gehen
können.
Was ist eine Solidarrente?
Eine Leistung die sicherstellen soll, dass alle Menschen, die
30 Beitrags- und 40 Versicherungsjahre haben, am Ende des Arbeitslebens
nach heutiger Berechnung mindestens 850 Euro Rente haben.
Wie kommt es zu dieser konkreten Summe?
Bei geringem Verdienst wird nach Mindesteinkommen berechnet, also
75 Prozent des durchschnittlichen Einkommens. Wenn bis zu den
850 Euro dann noch Geld fehlt, gibt es einen staatlichen Zuschuss.
Es ist niemand Schuld daran, dass er wenig verdient, oder dass
er unterbrochene Erwerbsbiografien hatte.
Es fragte Mathias Klinkmüller
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Beim
Eis essen mit seinem Enkel Jonas (4) sprach der Bundestagskandidat
der SPD für den Wahlkreis Spree-Neiße und Cottbus,
Ulrich Freese mit der Heimatzeitung. Der Kandidat will vor allem
für die Braunkohle und für soziale Gerechtigkeit kämpfen
Foto: M. Klinkmüller
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