Sascha
Kahle von der Piratenpartei ist mit 27 Jahren jüngster Direktkandidat
für den Deutschen Bundestag. Die Lausitzer Heimatzeitung
sprach mit dem Veranstaltungskaufmann aus Cottbus.
Vordergründig unterscheidet Ihr Alter Sie von den Gegenkandidaten.
Ist das ein Vor -oder Nachteil?
Es kann auch ein Vorteil sein, dass ich nicht so viel Erfahrung
habe. Ich gehe an die Politik nicht so zugeknöpft ran und
bin da noch offen. Ich verbeiße mich noch nicht in die Sachzwänge.
Wie sieht Ihr offener Stil denn konkret aus?
Wir stellen für das was wir tun, eine große Öffentlichkeit
her. Man kann auch als Nicht-Pirat an Versammlungen teilnehmen
und mitreden und sich einbringen. Ich mag nicht, dass Entscheidungen
über Bürger
hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Wie sieht das Einbeziehen ganz praktisch aus?
Unsere Versammlungen sind immer öffentlich. Wir haben Demokratie
und da sollten so viele Menschen wie möglich beteiligt werden.
In Ihrer Jugend waren Sie in der marxistisch-leninistischen
Partei. Liegt da der Bezug zu einer anderen Partei nicht näher?
Ich hab mich ja von der Vorgeschichte verabschiedet. Ich war auch
viele Jahre nicht mehr politisch aktiv. So sehe ich mich da heute
weit entfernt. Die Linke war mir zu eingestaubt. Mir fehlten dort
neue Ansätze.
Welche?
Zum Beispiel die Beteiligung der Parteimitglieder. Vorstandsversammlungen
führen wir etwa über Telefonkonferenz durch, damit wir
nicht ständig von A nach B fahren müssen und so auch
Leute beteiligen können, die sich die Fahrt nicht leisten
können oder ein Kind zu Hause haben. Alle Videos werden im
Internet auf youtube veröffentlicht.
Würden Sie sich als rebellisch bezeichnen?
Wir Piraten sind alle ein bisschen rebellisch.
Inwiefern?
Indem wir einfach sagen, dass nichts alternativlos ist, dass nichts
in Stein gemeißelt ist. Das ist eine rebellische Haltung,
weil man damit viele Strukturen angreift, die schon da sind.
Haben Sie keine Angst vor der Verantwortung?
Nein. Ich mache das schon sehr lange. Ich habe in Cottbus 2009
eine Führungsposition im Kulturforum Cottbus e.V. übernommen.
Wir betreiben die Galerie Fango, haben 30 Mitglieder und ab September
unseren ersten Angestellten. Auch in Südbrandenburg habe
ich bei den Piraten den stellvertretenden Vorsitz übernommen.
Warum sind Sie auf keinem Piraten-Plakat zu sehen?
Die Partei hatte früher das Motto: Themen statt Köpfe.
Inzwischen gibt es eine Mischung. Wir haben uns hier für
die Themen entschieden. Das ist auch eine Frage der Finanzen.
Wenn wir noch Geld auftun, gibt es vielleicht auch noch Plakate
mit meinem Gesicht darauf.
Zu den Themen: Einer Ihrer Schwerpunkte ist das Asylrecht.
Was fordern Sie?
Das Boot ist noch nicht voll. Wir vertragen mehr Zuwanderung.
Da müssen wir das Asylgesetz lockern. Ich bin dagegen, dass
Menschen, die hier gelandet sind, abgeschoben werden. Die kann
man auch nicht in abgeschottete Unterkünfte stecken. Das
ist gruselig. Die Bewerber müssen in der Stadt verteilt werden.
Das hat einen größeren integrativen Charakter.
Sie fordern ein Grundeinkommen. Wie sieht das aus?
Wir haben eine Vision von der Gesellschaft. Wir trauen dem Menschen
viel zu. Die Gesellschaft besteht nicht nur aus faulen Menschen,
sondern aus Menschen, die durchaus gewillt sind, der Gesellschaft
etwas zurückzugeben. Das ist unser Menschenbild. Das Grundeinkommen
ist das Instrument, das es uns erlauben würde, den Menschen
nicht unter Druck zu setzen. Jeder bekommt einen Sockelbetrag
und kann dann auch Geld dazu verdienen.
In welcher Höhe?
Der sollte deutlich über Hartz IV liegen, da neben Essen
und Miete auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht
werden muss. Theater, Kino, ein Ausflug in den Spreewald oder
das Kind im Sportverein müssen möglich sein.
Geht dann noch jemand für wenig Geld arbeiten?
Den Billiglohnsektor greifen wir durch das Grundeinkommen natürlich
an. Wenn ich nicht mehr gezwungen bin, für 3,50 Euro arbeiten
zu gehen, dann gehe ich auch nicht mehr für 3,50 Euro arbeiten.
Das ist aber auch O.K.
Lässt sich das finanzieren?
Die Umsetzung geht nicht von heute auf morgen. Als Brücke
sehen wir einen Mindestlohn. Durch das Grundeinkommen steigt die
Binnenkonjunktur und eine Menge Apparate wie Jobcenter fallen
weg.
Wie wollen Sie die Idee umsetzen?
Unser Weg ist, zu fordern, im Bundestag eine Enquetekommission
einzurichten, die verschiedene Finanzierungs- und Gestaltungsvorschläge
für das Grundeinkommen erarbeitet. Der Bürger soll dann
per Volksentscheid über die Vorschläge abstimmen.
Gibt es noch Rente?
Wir Piraten reden von einer Minimalrente und einer Maximalrente.
Wie stehen Sie zur Braunkohle?
Die Energiewende muss so schnell wie möglich umgesetzt werden.
Bis jetzt hat noch niemand einen Plan, was nach der Kohle passieren
soll.
Ist Braunkohle nicht der Jobmotor der Region?
Der Strom muss ja auch ohne die Kohle erzeugt werden.
Dann gibt es eben andere Wirtschaftszweige. Die Braunkohlejobs
verschwinden sowieso. Es arbeiten jetzt nicht mehr so viele Menschen
in der Braunkohle wie vor 20 Jahren und in zehn Jahren werden
es noch weniger sein. Wie gesagt, es fehlt der Plan für danach.
Braunkohle ist kein Zukunftsarbeitsplatz und zudem umweltschädlich.
Wie stehen Sie persönlich zur Uni-Fusion?
Für mich ist das ein demokratischer Fauxpas. Ich hab bis
heute noch keine schlüssigen Argumente dafür gehört.
Ich war von Anfang an dagegen. Es gab keinen offenen Entscheidungsprozess.
Die Betroffenen wurden nicht einbezogen. Das hat die Landesregierung,
zumindest hier in Südbrandenburg, viel Sympathie gekostet.
Da kommen wir wieder zum Thema Transparenz und Bürgerbeteiligung.
Ich hoffe, dass bei dem Volksbegehren noch etwas passiert.
Es fragte Mathias Klinkmüller
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Sascha Kahle ist seit Ende 2011 Pirat. Für den Landkreis
Spree-Neiße und Cottbus will er als Direktkandidat den Bundestag
entern, um mehr Menschen an der Demokratie zu beteiliegen. Er
fordert ein Grundeinkommen Foto:
J. Heinrich
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