Cottbus. Welch ein Erlebnis: Während draußen die
Osterfeuer loderten, stand drinnen die Wagner-Welt in Flammen.
Und wie! Diesmal hatten Bühnenrauch und raffinierte Lichteffekte
wahrhaftig dramatische Wirkung, steigerten das grandiose Finale
dieses gewaltigen RING-Projektes zu einem unvergesslichen tiefen
Eindruck. Das Publikum jubelte nach fünfeinhalb Stunden ohne
Anzeichen geringster Ermüdung. Die Götterdämmerung
war (und ist) großes Musiktheater weit über dem, was
in einer kleinen ostdeutschen Stadt zu erwarten wäre. Die
Fachwelt spricht ohne Zögern von internationalen Vergleichen,
denen diese Martin- Schüler-Inszenierung mühelos standhält.
Bravo.
Und ein Bravo vor allem dem Philharmonischen Orchester, das GMD
Evan Christ hemds-ärmlig dirigiert. Ein schwelgender Genuss
- dieses schwere, mystische Wallen, immer wieder durchflochten
von lyrisch-zartem Gespinst. Christ agiert wie ein Zauberer im
Zentrum dieses - für Wagner-Verhältnisse - extrem reduzierten
Bühnenbildes. Das große, glänzend funktionierende
Orchester rückt bis weit hinein in die Seitenbühnen;
mitten durch Streicher, Holz und Pauken führt ein Laufsteg,
der die Vorderbühne über dem Graben und einen Berg im
Hintergrund verbindet. Es ist mehr als halbszenisch,
was da geboten wird. Wie schon seit Rheingold (2003)
und dann Walküre (2008) und Siegfried
(2010) Schüler seiner Idee treu, seinem Mute aber zugleich
auch zugetan bleibt, besetzt er höchst spielfreudig. Aus
Tom Sawyer entlaufen scheint der unbefangene Craig Bermingham,
ein stattlicher, wenn auch stimmlich mehr kraftvoller denn klangmalender
Siegfried. Kaum zu übertreffen ist der schwarze Bass des
stämmig posierenden Gary Jankowski als Hagen, brilliant und
vor allem stets klar verständlich der saubere Bariton von
Andreas Jäpel als Gunther. Herausragend auch die Waltraute
der großartigen Marlene Lichtenberg, die einen anrührenden
Mezzosopran einbringt. Im Handlungsmittelpunkt steht Sabine Paßows
Brünnhilde, wiederum, wie schon im Siegfried,
ergreifend gefühlvoll, wenn auch gegen Ende mit kleinen Einsatzdefiziten.
Klar und immer gut verständlich auch die wunderbare Gesine
Forberger als Gutrune. Gleich zu Beginn spinnen nicht
das goldene Seil, sondern den roten Faden der Geschichte die Nornen
Marlene Lichtenberg, Cornelia Zink und Carola Fischer, mit denen
bei schönen Stimmen sogleich auch klargestellt ist, dass
hier ein bildreicher erzählerischer Ansatz einstudiert wurde.
Blutrot wird später dies eingerollte Seil aus dem offenen
Tresor zum blauen Bild kontrastieren. Gundula Martin hat eine
so raffinierte Ausstattung erfunden, dass sich der Zuschauer zur
gewaltigen Musik auch in riesiger Bühne zu befinden meint.
Der Chor, verstärkt um Herren aus Bratislava, rundet dieses
Gesamtkunstwerk, vor dem Orchester agierend und mit seinem Spiel
perfekt harmonierend, ab. Christian Möbius hat den späten
RING-Eintritt genauestens gefügt.
Ein wunderbares Präsent zum 200. des Meisters.
Die nächsten 5 1/2 Wagner-Stunden beginnen heute, 16 Uhr.
J. Hnr.
|
Warum
hat der Betrachter den Eindruck, hier versinke die Deutsche Bank
mit all diesen düsteren Botschaften einer gierigen Finanzwelt?
Wogender Wagner, tosender Rhein... M.Kross
|