Cottbus.
Seit zwei Wochen geht es im Theater schlimmer zu, als die
(Sitten-)Polizei erlaubt. Sie ist auch unterwegs, die Polizei,
aber nicht wegen der Sitte, sondern wegen staatsgefährdender
Unmoral. So was soll es geben oder gegeben haben, im Frankreich
eines Königs Ludwig XV.
Wie wenig Räson die Macht bewirkt, führt Regisseur Bernd
Mottl übermütig vor. Er schickt Volksszenen über
die Bühne, die denen draußen auf den Karnevalsstraßen
an Farbe und Wildheit in nichts nachstehen. Mehr noch: Der ganze
Musentempel wird zum verruchten Ort unverhüllter Fleischeslust
und erotischer Phantasien. Schon eine Stunde bevor Marc Nieman
als musikalischer Leiter am Pult erscheint, darf das Publikum
über die Hintertür der Alten Tischlerei die frivolen
Orte in Werkstatt, Gängen, Unterbühne und Foyers erkunden.
So ist es eingestimmt auf Calicots Frechheiten. Der Dichter (Heiko
Walter) provoziert, hält die Meute in Bewegung und treibt
letztlich die ganze Inszenierung ins lockere Fach.
Diesbezüglich tun sich die stimmlich hervorragende Gesine
Forberger als Marquise von Pompadour und ihr pomadig gespreizter
Bauer von gräflichem Stand, Jens Klaus Wilde,
etwas schwer. Leo Falls Musik trägt den Charme der Handlung
aber steigernd durch drei Akte, und das Bühnenbild, das den
Zuschauerraum spiegelnd nachbaut, macht nicht nur das Publikum
zu Kumpanen, sondern sorgt in dieser Geschlossenheit auch für
einen herrlichen Klang-raum. Skurrile Szenen reihen sich temporeich
aneinander, ufern aus bis in die Logen und machen natürlich
auch in der Pause nicht Halt. Der Beifall am Schluss gilt einem
engagierten Ensemble, einschließlich Chor und Ballett, ganz
besonders wohl aber Susanne Suhr und ihrer Kostümwerkstatt.
H.
|
Heiko Walter ist der
respektlose Spötter Calicot, der die Obrigkeit provoziert
und das Volk belustigt. Welch eine Kostümschau!
Fotos:
Kross
In
den gummigestiefelten Bauer-Grafen (Jens-Klaus Wilde) ist die
Pompadour (Gesine Forberger) ganz vernarrt
|