Cottbus.
Dieser Argan von Amadeus Gollner ist alles andere als ein
wehleidiger Krankmacher. Er liest möglicherweise etwas zu
gutgläubig in Apothekenzeitungen, aber diese Leidenschaft
trainiert wenigstens sein Hirn und lässt ihn unglaublich
mobil über die Bühne toben, zuweilen fast rasend in
seinem Rondell, in dessen Mitte ihm eigentlich ein sanfter Liegestuhl
- oder ists ein OP-Tisch? - reserviert wäre. Atemlos
hetzt dieser Kranke und treibt das ganze Stück auf höchstes
Tempo. Er spielt sich aus in Tollheiten, als sei ihm keine Grenze
gesetzt. Ist der vielleicht gar irre?
Keiner weiß das, denn Regisseur Reinhard Göber hat
all seinen Figuren einen individuellen Spleen angeheftet. Der
Raum, den Ausstatterin Ariane Salzbrunn mit einer Hüpf-Hürde
eingerahmt hat, die auch als Gleis für Rollmöbel dient,
und der runde Fenster hat, durch die gelegentlich auch Menschen
hechten, liegt einer Klapse näher als irgend einem anderen
Krankenzimmer oder gar einer bewohnbaren Stube.
Wer den braven Molière erwartet, der in diesem seinen letzten
Stück vor rund 350 Jahren selbst die Hauptrolle spielte und
gar nicht einge bildet krank, sondern nach der vierten Vorstellung
schon tot war, der mag enttäuscht oder aber erfreut sein.
Ganz nach Gemütslage. Die Inszenierung steht unter dem Motto
Kammer trifft Kömödie, was ein wenig klemmend
sagen will, dass es hier komödiantisch ziemlich ungehemmt
zur Sache geht. Der alten französischen Vorlage hat Göber
ungehemmte Moderne übergezogen, bis hin zum verrückten
Schlagzeuger und seiner popartigen Liebsten - Johannes Kienast
und Johanna Emil Fülle geben das Paar, das eigentlich keines
sein soll. Argan möchte seine Tochter dem Sohn seines Hausarztes
(ebenfalls Kienast) ankuppeln. Rolf-Jürgen Gebert sorgt als
Arzt dafür, dass sein gut zahlender Patient ihm und der Apotheke,
deren Logo er stolz auf der Brust trägt, nicht abhanden kommt,
was Beline (Sigrund Fischer) gar nicht so Recht ist, denn sie
hats mit dem Notar und hofft auf baldiges Erbe. Tolle Wirrnisse,
die für Kränkeleien kaum Zeit lassen. Sie treten in
den Hintergrund dieser turbulenten Komödie, die nicht nur
erzählt, sondern vor allem gestisch, teils heftig überzeichnet,
gespielt wird. Die Hausangestellte, die unermüdlich durch
die Szene hetzt und nie die kleinen Hüpfer, tiefen Blicke
oder abschätzigen Gesten vergisst, wird darin zum Kabinettstück
von Susann Thiede, die dafür angemessen reichlich Beifall
bekam. Ansonsten reagierte das Premierenpublikum eher verhalten.
Das Stück muss sich einspielen. J.H.
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Sieht gar nicht so krank aus: Die verzogene Tochter Angélique
(Johanna Emil Fülle) will den falschen Kerl heiraten, nämlich
Cléante (Johannes Kienast). Szenenfoto aus Der eingebildete
Kranke nach Molière in einer Regiefassung von Reinhard
Göber
Foto: M. Kross
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