Cottbus.
Da ist dieser dunkle Moment der Atem- und Ratlosigkeit, diese
Stille, in der noch die laute Nacht nachklingt. Er trägt
die Schuhe in der Hand, geht auf Strümpfen, nimmt den Hut
vom Kopf, fasst zur Zigarette, zum Whisky-Glas. Natürlich
zu diesem Glas. Ach was! Er kehrt um, zurück zur Bühne,
zum Klavier, er singt dieses Lied, reißt die Jacke von den
Schultern und alle sind sie da wie er, alle in schwarz und weiß
und mit diesem dünnen Schlips. Sie sind wie seine Abbilder,
werfen die Jacken, die Hüte. Er kann tun und lassen mit ihnen,
was und wie er will. Es ist dieser Rausch, der sie schreien lässt
und der ihn umbringen wird. Ihn, den großen Sinatra. Und
da hat er nun auch das Publikum an diesem Abend. Jetzt erst. Denn
diese Szene trägt sich gegen Mitte des Nummernprogramms zu.
22 Titel, plus später die Zugaben, singt Heiko Walter, den
die Leute auf der Straße schon Frank nennen, weil er den
Star schon in der Kleinen Komödie gegeben hat, großartig
und szenisch sehr stark auch dort.
Aber die Ansätze sind nicht vergleichbar, denn dies hier
ist eigentlich ein Ballettabend mit Gesang. Was nicht zwangsläufig
heißen muss, dass die Geschichte auf der Strecke bleiben
muss. Aber sie lahmt den Songs hinterher, und erst bei Titel 13,
beim fast hymnischen New York, New York, zu dem sich
die vier Girls endlich erotisch biegen und recken, löst sich
der längst fällige Jubel aus dem Publikum.
Keine Frage, das Ballett tanzt rasant und präzise, die Figuren
stimmen, die weit gestreckten Füße wiegen sich in den
Schmelz der Strophen hinein, die Damen wirbeln ganze Pirouettendiagonalen,
doch das allzu Perfekte hat spröde akademische Reinheit,
wo doch Dampfwolken, Kostüme, zwei Bartresen und eine besonders
schöne Musikbühne Verruchtheit, ja, sogar verkommenes
Zwielicht suggerieren. Die Übergänge zwischen den Titeln
(zum Beispiel von 3 zu 4) holpern, und die Choreografie bleibt
monoton bei sich immer wiederholenden Figuren. Wenn, wie Marin
Lopez (Kick Out) und gleich anschließend sie
mit István Farkas (What Now My Love) sich in
die Titel hinein tanzen, verinnerlicht, leidenschaftlich selbstvergessen,
dann geht die Post ab zwischen Songs und dem weiten schwarzen
Tanzraum. Ein gut 70-jähriger Keeper steppend auf dem Tresen
(Thomas E. Fletcher) bringt zwar als Gaudi Szenenapplaus, stört
aber den Fluss völlig. Da sind Jennifer Hebekerl, Denise
Ruddock und Venira Welijan sowie die Herren Aslanbek Kotsoev,
Marek Ludwisiak und besonders Christian Schreier nebst dem genannten
Paar doch dichter ins Sinatra-Milieu eingebunden. Frank Bernard
hat die musikalische Leitung und spielt Klavier, die Inszenierung
samt Choreografie besorgte Mirko Mohr. Nächste Termine: 2.,11.,20.
März. J. Heinrich
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Songs for Swinging
Lovers heißt eine Produktion des Staatstheaters in
der Kammerbühne. Szenenfoto mit (v.l.n.r.): Tänzerin
Inmaculada Marin López, Heiko Walter als Frank Sinatra
und Tänzerin Denise Ruddock Foto:
Marlies Kross
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