Vom
Zauber
der
Lichter zur
Heiligen Nacht
Leser schreiben über Erlebnisse und Gefühle
zu
Weihnachten
Es weihnachtet und Straßen und Plätze stehen längst
voller Lichterbäume. Aber keiner - nicht einer von allen
- kann jenen übertreffen, den wir ganz tief in unserem Herzen,
in unserer Erinnerung haben. Den Tannenbaum unserer Kindheit oder
jenen, den wir selbst für unsere Kinder schmückten oder
auch einen, der unter ganz besonderen Umständen unser Begleiter
der schönsten Tage und Nächte des Jahres war. Erzählen
Sie uns Ihre Tannenbaum-Geschichten. Lassen Sie unsere Leser teilhaben
an Ihrem Zauber der Lichter zur Heiligen Nacht.
Leser des Märkischen Boten schreiben dieses Jahr im Advent
ihre Tannenbaumgeschichten. Die ersten sind schon zu lesen. Für
veröffentlichte Geschichten bedanken wir uns mit einem Geschenk.
Alle Einsender nehmen teil an der Auslosung unserer diesjährigen
Weihnachtsmann-Überraschung am Heiligen Abend.
Der
geSCHEITe Engel
Aufgeschrieben von Petra Just aus Groß Gaglow
Lieber Märkischer Bote, ich habe in der Gaglower
Schule eine AG Literatur gegründet und gehe einmal in der
Woche zu den Kindern. Zum Thema Advent basteln wir
z.Z. einen Engel aus einem Scheit Holz. Dazu habe ich eine kleine
Geschichte geschrieben. Ich sende sie Ihnen zum Thema Tannenbaumgeschichten.
Es
war Herbst. Die Blätter lagen auf dem Waldboden, und wir
liefen mit unseren Stiefeln durch das Laub. Es machte Spaß,
auf die raschelnden Blätter zu treten. Wir atmeten die saubere
Luft ein. Mein
Mann hatte Säge und Axt mitgenommen, denn wir wollten in
unserem Wald einen Baum fällen. Wir brauchten Holz für
unseren Kamin. Gesagt, getan. Das Wetter war gut, und nach vier
Stunden Arbeit lag ein ansehnlicher Haufen gespaltenes Holz vor
unseren Füßen. Beim
Aufladen auf den Wagen hörte ich eine Stimme. Ich fragte
meinen Mann, ob er etwas gesagt habe, aber er verneinte.
Hatte
ich mich verhört? Aber da war sie wieder, die Stimme. Ein
Scheit schaute mich an und sagte: Siehst du nicht: ich bin
ein Engel im Holz. Ihr habt den Baum gefällt, jetzt ist er
tot, aber seine Seele bin ich, das Holzscheit. Nimm mich in deine
Hände, dann wirst du merken, wie dein Herz warm wird. Meine
Kraft geht durch deinen Körper, und du riechst meinen kienigen
Duft in deiner Nase. Zu Hause stellst du mich auf das Fensterbrett.
Bald wirst du dann eine Überraschung erleben. Na gut,
dachte ich, ein bisschen Träumerei kann nicht schaden. Heimlich
steckte ich das Scheit in meine Manteltasche, denn meinem Mann
wollte ich diese Geschichte nicht erzählen. Zu Hause stellte
ich das Scheit hinter die Gardine und begann mit dem Stapeln des
Holzes.
Danach folgte die übliche Hausarbeit, und bald hatte ich
das Scheit vergessen.
Ein paar Tage später beim Fensterputzen fiel mir das Stück
Holz wieder in die Hände. Es hatte Augen bekommen, einen
kleinen Mund und Flügel. Es sprach zu mir: Ich möchte
dir einen Wunsch erfüllen, weil du die Seele des Baumes gerettet
hast. Ich war platt vor Erstaunen. Was sollte ich mir wünschen?
Also bat ich das Scheit, mein guter Geist und Engel zu sein und
mir immer beizustehen, wenn ich mal einen schlechten Tag erwischt
habe.
Das mach ich, sagte der Engel. Wenn es dir mal
nicht gut geht schaust du mich an, und dann weißt du, dass
bei allem Pech, das man haben kann, auch wieder eine gute Zeit
folgen wird. So, wie ich weiterleben konnte, nachdem der Baum
schon lange in eurem Kamin verbrannt ist.
Meine zwei Christkindlein
Anita Linke aus Guben erinnert sich
Alle Jahre wieder muss ich daran denken. Es
war 1970, ich war junge Ehefrau und hoch schwanger in der Vorweihnachtszeit.
Wir hatten nur ein Zimmer, ohne Bad, ohne Küche, aber wir
waren glücklich. In der Küche meiner Schwiegermutter
haben wir am Abend des 22. Dezember unseren ersten Weihnachtsbraten
in Angriff genommen. In dieser Nacht, drei Wochen zu früh,
setzten die Wehen ein. Aufgeregt fuhren wir zum Krankenhaus.
Auf der Entbindungsstation war Hochbetrieb. Es war nicht viel
Zeit für Weihnachtsgedanken. Ich war ein bisschen traurig,
dass ich Weihnachten im Krankenhaus sein sollte. Für mich
war und ist es noch heute ein schönes Fest mit vielen Heimlichkeiten,
Musik und Lichtern in Familie.
Dann aber ist unser Glück geboren. Zu unserer kleinen Familie
gehörten jetzt zwei kleine Mädchen dazu. Da war ich
dann sehr stolz. Der Papa kam uns mit weißem Flieder besuchen.
Auf der Station an Heiligabend wurde es dann doch noch weihnachtlich.
Im Zimmer stand eine kleine Tanne mit Strohsternen behängt.
Auf dem Nachttisch gab es einen Weihnachtsteller mit Plätzchen,
Westschokolade und einer Apfelsine.
Am Abend sangen die Diakonissenschwestern im Treppenhaus Weihnachtslieder.
Dort hing auch ein herrlich großer Herrnhuter Weihnachtsstern.
Nachts hörte ich die Kirchenglocken läuten. Dann wurde
mir auch bewusst, dass ab dem neuen Jahr viel Arbeit auf mich
wartet. Jetzt, wenn ich diese Zeilen schreibe, habe ich wieder
dieses Berührtheitsgefühl.
Das
wiedergefundenen alte Puppenhaus
Eine Weihnachtsmarkt-Geschichte, erlebt und aufgeschrieben
von Ulrich Acksel aus Forst
Im Alter leben kindliche Neigungen wieder auf.
Besonders in der Vorweihnachtszeit. Ich bin bald siebzig und kann
mich wieder über unwichtige Dinge freuen. Meine Frau und
ich, nun wohl die einzigen, die Zeit haben, spazierten über
den Cottbuser Weihnachtsmarkt.
Welch schöne Gelassenheit! Von den knallbunten Herrlichkeiten,
die ringsum angeboten wurden, lockte nichts zum Kauf. Wir genossen
den Trubel, bis, ja, bis ich plötzlich bei einem Trödler
stockte. Ich war wie elektrisiert. Dieses uralte, ramponierte
Puppenhaus! Ich kannte jedes Möbelstück seiner Einrichtung!
Um sicher zu sein, griff ich nach dem zierlichen Küchenschrank
und flüsterte meiner Frau ins Ohr: Da steht mit lila
Tinte hinten drauf: Ulla ist doof!
Ich drehte das Schränkchen behutsam um: Ulla ist doof,
stand da blass, aber ganz deutlich. Ob ich neuerdings Hellseher
sei, fragte meine Frau. Pst! Wenn der Händler unser
Interesse erkennt, können wir es vielleicht nicht mehr bezahlen,
raunte ich. Mein Film lief rückwärts: 1936 hatte mein
Bruder Gerhard unsere Cousine Ulla im September geärgert
und ihr neues Puppenhaus bei jedem Besuch umgeräumt. Da floss
manche Träne. Und da kam es auch zu jener Inschrift.
Als ich 15 Jahre später meiner Cousine Jutta den gleichen
Streich spielen wollte, entdeckte ich den frechen Text meines
älteren Bruders, der demnächst seinen 85. Geburtstag
feiert, auf dem Schränkchen. Ich selbst kam nie dazu, auch
nur ein Möbelstück vom Fleck zu schieben; 1951 waren
die Mädels schon emanzipierter. Ich wurde einfach verscheucht.
Nun stand ich hier 60 Jahre später vor dem Puppenhaus meiner
Cousinen und hatte Herzklopfen, als hätte ich den Schatz
der Nibelungen entdeckt. Wir wurden mit dem Trödler handelseinig.
Nun plauderte ich noch mit dem Mann über die Herkunft des
Puppenhauses. Als man in Senftenberg die Häuser der Geschwister-Scholl-Straße
abriss und einen Wohnblock dahin baute, wo wir als Kinder auf
den Obstbäumen gesessen hatten, wanderte altes Spielzeug
auf den Müll. Ein Sachkundiger rettete es. Wer weiß,
wo es überlebt hatte?! Der verblüffte Händler konnte
mir dazu nichts sagen.
Unser Weihnachtsmarktbesuch hatte eine unerwartete Wendung erfahren.
Wie fuhren mit unserem Schatz nach Forst zurück. Obwohl wir
nur Enkelsöhne haben, erfüllte sich meine Frau einen
Kindertraum. Nun spielen wir wieder mit Puppen und zanken uns
wie in Kindertagen, wo das Schränkchen stehen soll und wo
das grüne Sofa.
|
Weihnachtskarte
von 1936. Es war die Zeit der Kaufmannsläden, Holzpferdchen
und Puppenhäuser, die einige Jahrzehnte anhielt Historische
Karte aus privater Cottbuser Sammlung
|