Cottbus.
Die gute alte Idee vom handgemachten Theater, das alle Sinne
kitzelt und der Phantasie jenen weiten Raum gibt, dessen sie in
orgiastischen Videowelten sonst beraubt bleibt, stirbt ausgerechnet
in der Weihnachtsoper. Der Besucher googelt zum Handlungsort.
Dieser www-Gag wäre zu ertragen, würde nicht bald darauf
das ganze Stück in technikverliebter Spielerei zerfranst.
Psychische Befindlichkeiten der Figuren (Angst, Freude),
so das Programmheft, sollen durch 3D-Effekte glaubhaft gemacht
werden. Dann rate ich doch lieber zu Hollywood. Auf dem Theater
vermochten solches noch immer Musik, Gesang, Tanz, Sprache, Gestik
- kurz: darstellerischer Glanz in meisterhafter Regie zu leisten.
Welcher Teufel, oder - um im Stück zu bleiben - welche Hexe
mag Martin Schüler als großen Meister der Opernregie
geritten haben, sich derart ins Handwerk pfuschen zu lassen. Nicht
nur das fatal strapazierte Geschenk des Fördervereins (unterstützte
die Anschaffung von Projektionstechnik sicher in guter Absicht),
sondern auch Teile der Ausstattung und der Kostüme sowie
der Balletteinsatz rücken diese auch für Kinder gedachte
Inszenierung in die Nähe von Schönthans Striese-Schmiere.
Albern an Strippen zappelnde Holztauben und vor allem dieses widerliche
Engelsballett mit steifen Pappflügeln und zu Mädchen
umgeschminkten Männern müssten selbst in Jahrmarktsbuden
gellende Pfiffe fürchten. Aber Cottbuser Premierenpublikum
leidet gern still und duldsam.
Schade um klare Bilder wie das der Ouvertüre mit Engelbert
& Wettes (nach Komponist und Librettistin benanntem)
florierendem Spielzeugladen, zu dessen feiner Kundschaft die hungrigen
Besenbinder-Kinder in anrührendem Kontrast stehen. Marlene
Lichtenberg (Hänsel, frech und mit fester Stimme) und Cornelia
Zink (Gretel, als tönten Weihnachtsglöckchen) singen,
tanzen und spielen diese schönen Partien und verstehen es
beide, ihren Hunger, ihre Träume, ihre Ängste im Wald
und ihren Mut im Angesicht der Hexe so klar zu zeigen, dass es
der Videos eines lichten, zudem tropischen Waldes, der nicht ein
bisschen Angst macht, hier wirklich nicht bedurfte.
Von der klassischen wilhelminischen Arbeiterküche, in der
der Vater (Andreas Jäpel) die Stütze verfuselt und die
in Not hart gewordene Mutter (Carola Fischer, leider sehr undeutlich
im Text) behende hantiert, wechselt die Handlung zum unwirklich
schönen Knusperhaus (Bühne Hans-Holger Schmidt). Hier
verführt Hardy Brachmann mit großem Hexenzauber und
dabei - wenn überhaupt - ist die neue Wundertechnik im Besenflug
sogar hilfreich.
Die Hexe büßt zuletzt im Feuer. Ende gut, alles gut,
auch für diesen Abend, der viel Beifall findet. Denn Engelbert
Humperdincks eingängige Musik zum Libretto seiner Schwester
Adelheid Weise, uraufgeführt unter Richard Strauß vor
fast 120 Jahren in Weimar, hält auch dreisten Googlungen
stand, zumal sie mit freudiger Frische, auch am einfachen Kindertanzlied,
gespielt wird (musikalische Leitung Marc Niemann). Die frömmelnde
Euphorie im Finale gehört schon wieder ins Ressort von Theaterdirektor
Striese. J. Heinrich
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Hänsel
(Marlene Lichtenberg) und Gretel (Cornelia Zink) verirren sich
im dunklen Tannwald (Bühne: Hans-Holger Schmidt), der sich
während ihres Schlafes - warum auch immer - videotechnisch
in einen hellen, tropischen Blätterwald verwandelt, in dem
die Bäume fröhlich tanzen Foto:
Kross
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