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Wir diskutieren in der CDU auch Markentreue
Nach dem Leipziger Merkel-Parteitag sprach der Märkische Bote mit dem
Cottbuser Kreisvorsitzenden

Cottbus. Den Leipziger CDU-Bundesparteitag Mitte des Monats erlebte Michael Schierack als Delegierter der Märkischen Union. Jürgen Heinrich unterhielt sich mit ihm.
Es war Ihr erster Bundesparteitag, oder?
Prof. Schierack: Der zweite und ein wichtiges Erlebnis: über 1000 Delegierte, 800 Gäste, 200 Journalisten. Und dabei ein Treffen guter Freunde, eine Zeit guter Gespräche. Wer dort was zu sagen hatte, durfte ausreden. Es gab auch in sehr kontroverser Debatte keine Zeitbeschränkung. Schäuble hat leidenschaftlich 20 Minuten für Europa plädiert, der Sachse Milbradt (bis 2008 Ministerpräsident) hat höflich und bestimmt erwidert. Wie wir wissen, gab es auch in dieser wichtigen Frage die Merkel-Mehrheit.
Die Medien reflektierten vor allem die Kanzlerin...
Frau Merkel hat ihren Weg gefunden, sie kann klar argumentieren. Darüber freue ich mich.
Dieser Weg führt in die politische Mitte. Verabschiedet sich die CDU vom konservativen Standort?
Konservativ ist, Werte bewahren und offen sein für neue Antworten auf neue Fragen. Wir haben diesen Montag im Kreisvorstand dieses und andere Themen gründlich besprochen, das Unionsverständnis hinterfragt. Wir diskutieren auch Markentreue. Was ist, wenn wir CDU-Themen haben, die bisher keine waren? Union - das ist für die meisten unserer Mitglieder freie Wirtschaft, Sicherheit, Ja zu Europa, vielfältige Bildung, Solidarität. Aber eben nicht Zentralisierung.
Sie beziehen sich auf den Vorwurf der „Sozialdemokratisierung“ wegen des leicht schwammigen Mindestlohn-Beschlusses.
Wir sprechen von Lohnuntergrenze. Für mich ist das ein schwieriges Thema, weil diese Mindestlohndebatte immer die Gefahr birgt, nur als Wahlkampfmittel missbraucht zu werden. Wer will in Europa eine Lohngrenze nennen? Soll die bei 65 Cent wie in Bulgarien oder bei 9 Euro wie in Frankreich liegen? Wir sehen also keinen Betrag quer durchs Land, sondern branchenspezifische und regionalbezogene Vereinbarungen. Auch wo keine Tarifbindung gegeben ist, sollte verhandelt werden. Da betreten wir tarifhoheitlichen Acker, den Arbeitgeber und Gewerkschaften bestellen.
Das klingt nicht so, als wäre der Weg klar gezeichnet.
Das ist er auch nicht. Hier läuft ein Prozess. Unser politischer Wille lautet, übrigens auch vor dem Hintergrund christlicher Ethik: Jeder soll in unserem Land von eigener Hände Arbeit leben können. Aber die private Wirtschaft kann nicht Löhne nach sozialer Lage ihrer Arbeitnehmer zahlen, sondern eben nur nach Leistung. Wenn die SPD dafür eine Patentlösung gehabt hätte, hätte sie die ja in rot-grüner Regierung einführen können. Statt dessen werden heute selbst öffentliche Aufträge immer nur an die billigsten und noch billigeren Bieter vergeben. Wer da zusieht, braucht mit Unternehmern nicht über Mindestlöhne reden. Die sind übrigens im Baugewerbe hier bei uns schon über 11 Euro, wenn ich nicht irre. Ich glaube im Übrigen, dass im Unternehmertum hier in Brandenburg, vielleicht generell im Osten,
die soziale Verantwortung stark ausgeprägt ist.
Stichwort Bildung. Auch da fand der Leipziger Parteitag eine offene Lösung, ungefähr nach dem Motto: Jeder tut, was für ihn gut ist
Na, fast so. Wobei das Thema Hauptschule uns hier ja nicht berührt, weil wir die gar nicht haben. Meine Generation ist - abgesehen vom Ideologischen und schwacher Fremdsprachlichkeit - von einem gut strukturierten Bildungssystem geprägt. Daher sehe ich hier den Föderalismus zu arg getrieben. Für sinnvoll halten wir ein Zentralabitur. Ob das von einem Bundesministerium oder von einer Kultusminister-Konferenz ausgearbeitet wird, spielt dabei keine Rolle. Abiturnoten müssen gleichwertig sein - egal aus welchem Land oder welcher Schulform.
Ihre Partei hat sich nun für das verpflichtende Vorschuljahr ausgesprochen. Steht die Cottbuser Union dazu?
Natürlich. In diesem Bereich gibt es den Ostvorteil: Wir haben die Plätze und geschultes Personal. Frühzeitige pädagogische Arbeit ist nach Aussage unabhängiger Bildungsträger der Schlüssel für erfolgreiche spätere Ausbildung. Wir wissen um die wichtige Rolle des Elternhauses, sehen aber in der Vorschule Chancen für alle.
Im Bund schwächelt das schwarz-gelbe Bündnis. Schaut die Union da hoffnungsvoll auf den neuen Berliner Senat?
Berlin hat eine junge, neue Union mit Henkel, einem Ostberliner Pragmatiker. Tja - wir werden sehen. Jedenfalls können wir nicht schimpfen. „Die Unseren“ sind in der Verantwortung. Sie werden’s gut machen.
Ganz anders als in Cottbus...
Wir bedauern, dass in der Stadt der Diskussionsprozess durch Rot-Rot zum Erliegen gebracht werden soll. Manche Entscheidungen sind von der Lebensrealität weit entfernt. Wenn ich nur an die Themen Friedhöfe und Abwasserbeiträge für Altanschließer denke.
Stopp: Hier fällt der Vorwurf an den Landtag zurück, wenn auch vor Ihrer Zeit. Der hat doch diese Abgabe beschlossen. Die Stadt führt nur aus.
Richtig, die CDU hat dem Gesetz auch zugestimmt. Aber Cottbus fasst gleich mit dem höchsten Ansatz zu. Statt angemessener 50 oder 60 Cent schlägt die Stadt mit 3,40 Euro zu. Und wenn Sie, lieber Herr Heinrich, kommentieren, dass da nur die „Betuchten“ jammern, dann irren Sie. Es sind Rentner dabei, die sich ihr Haus oder ihre Wohnung Mark für Mark im Leben erspart haben, auch Wohlfahrtverbände und natürlich die Wohnungsgesellschaften, die sich das Geld von den Mietern holen oder Investitionen einstellen müssen.
Glauben Sie, die Bescheide werden korrigiert?
Wir werden entsprechende Anträge stellen, denn wir stehen als CDU Cottbus für eine bürgerfreundliche Politik.
Danke für das Gespräch.

Prof. Dr. Michael Schierack, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, ist in Cottbus Kreisvorsitzender der CDU und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes seiner Partei. Als Abgeordneter des Landtages ist er gesundheitspoliti- scher und wissenschaftspolitischer Sprecher

Prof. Dr. Michael Schierack, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, ist in Cottbus Kreisvorsitzender der CDU und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes seiner Partei. Als Abgeordneter des Landtages ist er gesundheitspoliti- scher und wissenschaftspolitischer Sprecher Foto: Hnr

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