Cottbus.
Die beiden haben die Beleuchterbrücke erklommen und hocken
beängstigend hoch über dem Publikum, auf einem Jäger-Hochsitz.
Maud erzählt von Buddha und zwei fleißigen Männern.
Der eine baute eine Brücke und bekam einen goldenen Ochsen;
der andere baute eine Mauer und ward erdrückt vom Ochsen.
Die Welt braucht Brücken, keine Mauern, sagt
Maud und programmiert die nächste Generation. Sequenz um
Sequenz, spielerisch, skurril, manchmal eben sogar akrobatisch.
Diese Inszenierung von Rudolf Koloc, heute Schauspielprofessor
in Berlin, einst Schauspiel-Schüler von Christoph Schroth
in Schwerin, reiht Bild an Bild kraftvoll aneineinander. Eine
Szenenfolge meisterhafter Schauspielereien, manchmal etwas zusammenhanglos.
Vielleicht ist das ein Mangel dieser fast genialen 120 Theaterminuten,
dass sie der faszinierenden Zweiergeschichte davondriften, etwas
selbstverliebt und jahrmarkthaft bisweilen. Aber jede der Rollen
greift tief in die Kunst des Fabulierens. Da stakst diese überdrehte
und dabei überaus besorgte Mutter einer extrem aufgedrehten
Sigrun Fischer um die kalten Sessel, Rolf-Jürgen Gebert umdienert
sie als Seelen-Krankdeuter, Thomas Harms ist ein funktionierender,
jede Gemütsregung mit polizeilicher Heftigkeit überspielender
Kommissar, Berndt Stichler der weichlich-biegsame Pater und Johanna
Emil Fülle brilliert in gleich vier Typen junger Frauen bislang
von ihr nie gesehener Lockerheit.
Sie alle braucht Autor Colin Higgins (1941-1988), um ein kontrastreich-dekadentes
Milieu zu malen, das Juan Leon mit einem Möbelberg, Särgen,
Gemälden und diversen Bomben und Henkerschlingen ausstattet.
Obenauf agieren Harold und Maud. Dieser Gegensatz von alt und
jung, Weib und Mann, gelöst und gehemmt, ja und nein, lebensprall
und todesverliebt - dieses Aufeinandertreffen zweier gesellschaftlicher
Grenzgänger liegt zwischen Märchen und Kabarettspiel.
Heidrun Bartholomäus hinterlässt mit dieser Figur keine
Spur von Komik. Sie sagt die mit Fragen überladenen Aussagesätze
hin wie Luther seine Thesen. Gebeugt schiebt sie ihre Schubkarre
als hinfällige Alte auf den Friedhof, beschwingt tanzt, steppt
und singt sie zum elektrischen Klavier, gerührt nimmt sie,
den Freitod schon erwählt, den Ring des Liebenden entgegen.
Ein großes, abendfüllendes, herzergreifendes Spiel.
Roland Schroll bleibt der störrische Harold, blass, introvertiert,
ungelenk selbst in den enthemmten Radschlägen und Purzelbäumen.
Welch ein spannendes Paar, über das der Zuschauer noch mehr
erfahren möchte. Was, um Gottes Willen, wird nun aus Harold!?
Viel Beifall war verdient für dieses Plädoyer für
Brücken, das auch ein Brückenschlag zu Harold
und Maud des Theaters der Stadt Cottbus, Träger des
Vaterländischen Verdienstordens in Silber (Programm-Impressum)
vom Dezember 1989 war. Die großartige Iris Klinke gab die
Maud, Thomas Kressmann den Harold, Peter Volksdorf führte
Regie. Mit seinem Publikum war Theater damals unterwegs, den
guten Menschen zu finden. Die Frage hat bewegt, warum die
Sterbenden niemals weinen. Wissen wir das jetzt?
Wir sind anders geworden. Und Harold?
Der ist jetzt 22 Jahre älter. J. Heinrich
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Maud (Heidrun Bartholomäus)
gibt Harold (Roland Schroll) Feuer. Die 80-jährige kann den
jungen Mann entzünden
Foto:
Marlies Kross
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