Region.
Sonntag jährt sich die deutsche Einheit zum 20. Mal.
Am 9. November 1989 fiel die Mauer; im April 1990 gründete
sich die erste und letzte frei gewählte Regierung der DDR,
um sich bald selbst überflüssig zu machen. Am 20. September
1990 stimmten die Volkskammer der DDR und der Deutsche Bundestag
dem Einigungsvertrag zu. Am 3. Oktober 1990 wurde die Einheit
vollzogen.
Herr Dr. Schulze, wie haben Sie jenen 9. November erlebt?
Dr. SCHULZE: Ich hatte Hausdienst und meine Frau Spätdienst.
Es lag eine Spannung in der Luft und das es zu Veränderungen
kommen würde, war für mich angesichts der Demonstrationen
absehbar. (am 28. Oktober 1989 fand die erste friedliche Demonstration
in Spremberg statt). Die friedliche Maueröffnung war dann
eine Erleichterung.
Und wie den 3. Oktober 1990?
Die Einheitsfeier habe ich im Schweizergarten erlebt. Bei super
Stimmung habe ich meine Mutter in der Wirtschaft unterstützt.
Zu dieser Zeit war ich Amtsleiter für Umwelt und Landwirtschaft.
Es waren turbulente Zeiten. Ich habe geholfen, eine neue Verwaltung
aufzubauen. Vieles wurde in den Wendetagen unbürokratisch
mit gesundem Menschenverstand entschieden. Unser Partnerkreis
hat uns unterstützt. Leider mussten sich auch viele Mitarbeiter
beruflich neu orientieren.
Am 5. Dezember 1993 gab es erneut Kommunalwahlen. Einen Tag später
wurde der Kreis Spremberg Teil des Landkreises Spree-Neiße.
Als Aufbauleiter verantwortete ich das neue Bau- und Umweltamt.
Später bewarb ich mich als Dezernent.
Heute erscheint Spremberg als blühende Landschaft.
Wann und durch welche Ereignisse kam der Knackpunkt
für den neuen Trend?
Blühende Landschaft klingt hochtrabend; wir sind gut aufgestellt,
haben aber auch noch viel zu tun.
Knackpunkt war Schwarze Pumpe. Den industriellen Kern der Lausitz
zu erhalten war entscheidend. Einen wichtigen Impuls gaben die
ESPAG und VEAG mit der Entscheidung zum Kraftwerksneubau. Die
Industrielandschaft (wenn auch mit deutlich reduziertem Personal)
ist erhalten geblieben und die Region wurde nicht deindustrialisiert.
Unser Alt-Bürgermeister Egon Wochatz hat sich hier mit seinen
Mitarbeitern sehr verdient gemacht.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Dass wir in der Region einen enormen Strukturwandel geschafft
haben und dass sich Spremberg und die Umgebung wieder zur Perle
der Lausitz mit einem attraktiven Industriestandort entwickelt.
Was blieb (noch) auf der Strecke; was würden Sie, einige
Jahre rückblickend, anders machen?
An vielen Stellen haben uns die Erfahrungen im Umgang mit den
neuen Gesetzen gefehlt. Auch die künftige wirtschaftliche
und demographische Entwicklung hatten wir falsch eingeschätzt.
Beispielhaft sind hier Fehlentscheidungen in Abwasserkonzepten
und beim Kläranlagenbau.
Wir müssen uns auch noch mehr um die Nachnutzung von Industriebranchen
kümmern.
Wie fühlen sich heute die Bürger: als Bundesbürger,
Brandenburger, Preußen oder als DDR-Bürger, die unterwegs
sind?
Als erstes Spremberger. Dann als Brandenburger und Bundesbürger.
Als Preuße denke ich weniger. Das Gefühl als Brandenburger
und Bundesbürger muss erst wachsen, da es die Länder
in dieser Form lange nicht gab.
Ist am 3. Oktober zusammengewachsen, was zusammen gehört?
Knifflige Frage. Beide Teile von Deutschland sind, bedingt durch
die Siegermächte, unterschiedliche Wege gegangen und haben
sich unterschiedlich entwickelt. Trotzdem gehören wir zusammen
auch in den jetzigen Grenzen. Das Zusammenwachsen wird dauern,
aber das ist nicht besonders dramatisch.
Auf einer Skala des Zusammenwachsens von 0 bis 100 - wo steht
die deutsche Einheit heute?
Ich denke dass wir gut die Hälfte des Weges geschafft haben.
60 bis 70 Prozent etwa.
Die erste Generation ohne eigene Erinnerung an die Teilung
tritt ins Berufsleben. Ohne Ost-West-Konflikt. Ist die Einheit
eine Generationenfrage?
Ja. Ich sehe das deutlich bei meinen Kindern. Der Ältere
ist 30, der Jüngere kam am 14. Juli 1990. Beiden ist das
geeinte Deutschland selbstverständlich.
Ältere verbinden mit der DDR noch persönliche Erlebnisse.
Für mich sind Erinnerungen auch immer eine Bereicherung.
Was wünschen Sie sich für die Stadt zum 25. Jahrestag
der Einheit?
Dass sich die Stadt weiterhin positiv entwickelt liegt mit sehr
am Herzen. Ich wünsche mir, dass Projekte wie die Ortsdurchfahrt
B 156, der Bahnhofsvorplatz, die Gestaltung des Festplatzes, des
Busbahnhofes und des Bahnhofsvorplatz erfolgreich umgesetzt werden,
und natürlich, dass das Kupferbergwerk Konturen annimmt.
Wie verbringen Sie - abgesehen von der Festveranstaltung -
den 3. Oktober?
Wir feiern in den 3. Oktober hinein, da ein Geburtstag in der
Familie ansteht. Nach der Eröffnung des Bürgerfests
bereite ich mich auf die Investitionsmesse EXPO REAL in München
vor, die tags darauf startet.
Trotzdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, alle Spremberger
und Gäste herzlich zum Bürgerfest, welches unsere Vereine
organisieren, einzuladen.
Vielen Dank.
Das Gespräch führte Frank Heinrich
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Dr. Klaus-Peter
Schulze wurde am 3. Juli 1954 in Döbern geboren.
Im Juli 1990 wurde der promovierte Biologe Umweltamtsleiter des
Kreises Spremberg. Vier Jahre später übernahm er die
Leitung des Dezernates für Bau- und Wirtschaftsförderung
im neuen Landkreise Spree-Neiße.
Seit Mai 2002 ist er Sprembergs Stadtoberhaupt. Im Januar 2010
wurde er in seinem Amt bestätigt.
Dr. Klaus-Peter Schulze ist verheiratet und hat drei Kinder
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