aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Gubener haben ihre Stadt-Identität gefunden
Stadtentwicklung gab Bürgern eine Vision

Region. Sonntag jährt sich der Tag der Deutschen Einheit zum 20. Male. Am 9. November 1989 fiel die Mauer; im April 1990 gründete sich die erste und letzte frei gewählte Regierung der DDR, um sich bald selbst überflüssig zu machen. Am 20. September 1990 stimmten die Volkskammer der DDR und der Deutsche Bundestag dem Einigungsvertrag zu. Am 3. Oktober 1990 wurde die Einheit vollzogen. Der Bürgermeister blickt zurück.
Wie haben Sie den 9. November 1989 erlebt?
K.-D. HÜBNER: Ich hatte zufällig den Fernseher eingeschaltet und konnte anfangs nicht glauben, was ich hörte. Ich glaube, die wenigsten Gubener haben an diesem Tag das wahre Ausmaß erfasst. Im Westen, also Westberlin, war ich erst einige Wochen später mit der Familie. Auf dem Ku’Damm kamen mir die Tränen, weil ich nicht begreifen konnte, wie unsere Gesellschaft 40 Jahre lang so betrogen werden konnte.
Und wie war das ein knappes Jahr später, am 3. Oktober?
Das war für mich die logische Schlussfolgerung. Einen eigenständigen Staat hätten wir nicht schaffen können. Wer sollte das auch machen, wer hätte die Erfahrungen gehabt?
Ich bedaure aber, dass viele Vorreiterprojekte mit der Vereinigung nicht konstruktiv ausgetauscht wurden wie die Kindergärten oder das Bildungssystem. Dann wären wir heute sicher auf einem besseren Entwicklungsstand.
Für Gubens Wirtschaft bedeutete die Wende den Verlust von über
7 000 Industriearbeitsplätzen faktisch über Nacht, insgesamt in der Stadt waren 14 bis 15 000 Gubener ohne Arbeit. Genau diese Zahl an Einwohnern fehlt seitdem auch in der Stadt - heute haben wir 19 150 Einwohner.
Heute lassen wir „blühende Landschaft“ für Guben gelten. Ab wann glückte unsere Wende in der Praxis?
Mich hatte gestört, dass Guben keine Gesamtstrategie hatte. Für die Gubener gab es deshalb lange keine Vision. Mit meinem Start als Bürgermeister war das meine erste Aufgabe, die ich bis heute konsequent verfolge.
Worauf sind Sie dabei heute besonders stolz?
Dass wir es geschafft haben, Maßstäbe in der Stadtentwicklung zu setzen. Architektur, Landschaft, Freiräume, grenzüberschreitende Infrastruktur... Was hatten wir für heftige Diskussionen zu führen, auch mit Stadtplanern anderer Städte. Uns ist eine abwechslungsreiche Stadt gelungen, denke ich.
Und was ist nicht so besonders gelungen?
Beim Bau der Kläranlage wurde nur einseitig auf die Kosten geschaut. Es war sicher eine eher politische Entscheidung. Meines Erachtens hätte sie ins Industriegebiet oder in dessen Nähe gehört. Und das Gewerbegebiet Deulowitz ist völlig falsch ausgerichtet worden. Das lag auch an der Förderpolitik.
Wie fühlen sich die Leute heute: als DDR-Ehemalige, als Brandenburger, als Bundesbürger, als Preußen oder einfach nur als Gubener?
Ganz klar: Sie sind stolze Brandenburger und Gubener. Sie haben sich wieder mit der Stadt identifiziert, sie neu entdeckt. Vor allem das neue Zentrum ist identitätsstiftend. Der Wandel vom Industrie- und städtischen Zentrum ist gelungen. Ich selbst hatte vor der Umgestaltung Schwierigkeiten, die Stadt an einem Punkt festzumachen.
Was wünschen Sie Guben zum 25. Jahrestag der deutschen Einheit?
Ich wünsche mir, dass die Stadtentwicklung weiter schnell vorangeht, dass wir das Wohnraumkonzept umsetzen können, damit Guben ein neues Image, neue Attraktivität erhält. Und damit wir den demografischen Wandel schaffen.
Wie verbringen Sie diesen 3. Oktober?
Ich habe viele Termine, werde aber auch zum Bungalow fahren. Am Dienstag treffen wir - mein Gubiner Amtskollege und viele Gäste - uns zur Festveranstaltung in der Alten Färberei. Schließlich hat die Solidarnosc die Einheit angestoßen, das dürfen wir nicht vergessen.
Vielen Dank.
Es fragte Jens Haberland

Klaus-Dieter Hübner war seit 1990 Stadtverordneter, 2002 wurde er Bürgermeister von Guben. Im November wurde erneut zum Stadtoberhaupt gewählt

Klaus-Dieter Hübner war seit 1990 Stadtverordneter, 2002 wurde er Bürgermeister von Guben. Im November wurde erneut zum Stadtoberhaupt gewählt Foto: CGA-Archiv

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