aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

„Forster sind bodenständig und wollen hier bleiben“
Bürgermeister Dr. Jürgen Goldschmidt zum „Tag der Deutschen Einheit“

Der „20. Tag der Deutschen Einheit“ ist Anlass für ein Gespräch mit dem Forster Bürgermeister Dr. Jürgen Goldschmidt.
Herr Dr. Goldschmidt, können Sie sich noch an den 9. November 1989, an dem ja bekanntlich die Berliner Mauer fiel, erinnern?
Dr. Goldschmidt: Sogar sehr genau; ich war in der damaligen Hochschule für Bauwesen in Cottbus zu einem Konzert der Gruppe „MTS“ und habe, wie alle anderen im Saal, nichts von den Geschehnissen in Berlin mitbekommen. Erst als ich zu Hause die Tagesthemen gesehen hatte, wusste ich, warum die Jungs schnell wieder nach Berlin wollten. Für mich ist dieser Tag sowieso bedeutender als der 3. Oktober, der zwar als Feiertag Anlass für offizielle Statement ist, das Wesentliche zur deutschen Einheit ist aber am 9. November 1989 geschehen.
In den 20 Jahren ist viel Wasser die Neiße heruntergeflossen, um in Forst zu bleiben. Wie sehen Sie die Ausgangslage nach der Vereinigung für die Stadt? Wie sind die „blühenden Landschaften“ hier angekommen?
Zunächst: Der Ausspruch mit den ‘blühenden Landschaften’ hat sich ja selbst widerlegt. Es konnte sich doch keiner vorstellen, nicht einmal im Westen, was hier jetzt alles in Bewegung kommen wird. Eine allgemeine Euphorie war allerortens anzutreffen; neueste Technik wird Einzug halten, ein grenzenloser Optimismus zog da und dort ein und die Demokratie wird alles regeln. Aber: Demokratie kann auch irritierend wirken, heute geht die Wahlbeteiligung zurück, Politikverdrossenheit greift um sich, und viele Erwartungen wurden nicht erfüllt.
Nur wenige Politiker, kaum mehr Wirtschaftsleute, haben übersehen können, welche Probleme zu lösen sein werden. Ich sehe überhaupt die deutsche Einheit als Teil der derzeit stattfindenden Globalisierung der Welt. Diese Situation überragt die Probleme im Osten und Westen Deutschlands um vieles.
Für Forst galt es, die schwierige Grenzlage zu berücksichtigen, den Verlust von etwa 5?000 Arbeitsplätzen zu verkraften und die Abwanderung großer Bevölkerungsteile irgendwie in kommende Planungen einzubeziehen. Jetzt, aus der heutigen Sicht gesagt, muss man staunen, wie wir alle diese Verschiebungen bewältigt haben.
Sie sind seit drei Jahren im Bürgermeisteramt. Als Forster können Sie aber die Gesamtentwicklung beurteilen. Wie sieht es heute hier aus?
Der Forster ist ja im Grunde ein bodenständiger Mensch. Viele sind trotzdem leider weggegangen, wir möchten sie zurückgewinnen. Vielfach ist das schon geglückt, die Stadtentwicklung kann positiv beurteilt werden, das Zentrum wurde aufgewertet, die Stadtkirche und ihr Umfeld haben sich verjüngt und nach der wirklich schwierigen Ausgangslage vor 20 Jahren ist hier wieder Urbanität zu spüren. Die Umwelt ist blühender und gesünder - vieles ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Vieles zu selbstverständlich vielleicht auch.
Andererseits muss ich auch zur Kenntnis nehmen, dass es soziale Verwerfungen gibt, die einer Stadt nie gut tun. Auch spürt man in manchen Diskussionen eine gewisse Nostalgie („früher war das besser“). Die Arbeit hört nicht auf, besonders, wenn man hier bleiben will und was bewegen möchte.
Was steht vor den Forster Bürgern bis zum 25. Tag der Deutschen Einheit?
Wir sind eine starke Region. Das wissen unsere Menschen. Jetzt, wo es wieder einen Forster Minister gibt - Dr. Dietmar Woitke ist ja als Innenminister auch Kommunalminister geworden - sehen wir uns weiter im Aufwind, er ist in unserer Region fest verankert, er kennt unsere Probleme am besten. Der Mittelstand muss weiter gestärkt werden, und möglichst viele Forster müssen wieder zurückkommen. Dass wir da auf einem gutem Weg sind, zeigen die neuen Eigenheime.
Was mir aber wirklich am Herzen liegt, ist die Arbeitsplatz-situation. Wenn wir mehr Arbeitsplätze haben, bleiben die Forster auch hier. Und kommen vor allem wieder zurück!
Was werden Sie morgen - am Tag der Einheit - machen?
Wir haben in Forst keine offizielle Veranstaltung geplant. Das heißt aber nicht, dass ich nicht hier und da unterwegs sein werde - ein wenig Ruhe tut auch gut!
Herzlichen Dank.
Es fragte B. Weinreich

Bürgermeister Dr. Jürgen Goldschmidt

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