Cottbus
(h). Das Jahr 2009 war geprägt von einer emotionalen Diskussion
um die Zukunft der Straßenbahn. Landtags- wie auch Bundestagswahlen
mit dramatischem Absturz der SPD, die aber in Cottbus mit den
Linken eine komfortable Stadtverordneten-Mehrheit hält, hat
Inhalte und Vorgänge verzerrt. Da die von der CDU unterstützte
Initiative ProTramCottbus mit über 14 000 Unterschriften
um ein fundiertes Gutachten zur Straßenbahn ersucht, gilt
es nun 2010, Bauch-Entscheidungen intellektuell aufzuarbeiten.
Das Kernproblem: Der bestens ausgebauten und erstklassig ausgestatteten
Straßenbahn bleiben die Fahrgäste weg. Mit Einwohnerrückgang
und geringer Beschäftigungsquote ist das allein nicht zu
erklären.
Die Gefälligkeitsstudie eines Dresdener Instituts half nicht
weiter; im Gegenteil. Als eine Lösungs-Variante
kam die Totaleinstellung der Bahn ins Gespräch. Den schweren
Schock der Bevölkerung suchte der OB mit einer doppelten
Wende ins Wahlkampf-Lot zu bringen. So sieht es Wolfgang
Herwig, studierter Eisenbahner mit 40 Jahren Berufserfahrung aus
der Südweststadt. Er hat sich mit Fachleuten konsultiert
und will sich über diese Zeitung an Entscheider wenden. Es
geht ihm nicht allein um den Abschnitt Bahnhof-Jessener Straße,
der 2008 zweigleisig ausgebaut wurde und jetzt stillgelegt werden
soll. Hier zeigt sich der ganze Unfug der Planung,
sagt er. Ein vorhandenes, zumal völlig neues, Gleisnetz
kürzt man nicht, denn wo drei wenig befahrene
Stationen abgehängt werden, sind die drei Stationen
davor nun die letzten und werden weniger befahren als bisher.
Eine einfache Logik, die genau so einträte, würde man
die Endabschnitte in Ströbitz, Madlow oder Schmellwitz betrachten.
Es muss vielmehr in längere und der Stadtsituation
angepasstere Strecken investiert werden, sagt Herwig.
Als Eisenbahner weiß er, dass das Reiseaufkommen bei der
Bahn seit der Wende um 70 Prozent abgestürzt ist. Es
ist nicht nötig, alle Linien an den Bahnhof zu bringen; im
Gegenteil, durch eine solche Schleife würden Fahrzeiten von
Sachsendorf in die Stadt und umgekehrt verlängert. Eine Wendeschleife
am Bahnhof mache als Ersatz für die am Hochhaus Thiemstraße
Sinn. Sonst nicht. Eine Konzentration auf den Bahnhof sei realitätsfern.
Cottbus hat mit dem Berliner Platz den Vorzug, alle Bahnen
an einen Ort zu bringen. Sie müssen alle zur gleichen Zeit
hier ankommen und wieder abfahren. Das ist sinnvoll. Er
hätte, um Freunden in Sandow zu gratulieren, von der Jessener
Straße zum Berliner Platz fahren, dort 13 Minuten warten
und dann weiter fahren müssen. Mit dem Fahrrad war
ich alter Mann zehn Minuten schneller - kostenlos. Das sagt alles
über unser Straßenbahn-Dilemma. Längere
Strecken und drastisch verbilligte Kurzfahrtarife seien nur zwei
von vielen Hilfen für die Tram.
Wolfgang Herwig hofft, dass in der Stadt, die sich familienfreundlich
nennt und die seniorenfreundlich sein muss, das Thema Straßenbahn
2010 ohne politische Eitelkeiten neu und kompetent durchdacht
wird.
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Bus
oder Bahn? Die Grundsatzfrage scheint vom Tisch. Die Tram soll
bleiben. Auf nur drei starke Linien setzen die Stadtverordneten,
den Status Quo und die schrittweise Erweiterung des Gleisnetzes
fordert die ProTramCottbus-Initiative
Fotos: CGA-Archiv Hnr.
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