Cottbus. Wer sonntags vorm Tatort aus der Stadtmitte
in einen beliebigen Ortsteil zwei, drei oder vier Kilometer heimwärts
läuft, muss nicht befürchten, von einem öffentlichen
Verkehrsmittel überholt zu werden. Auf den Linien fährt
um diese Zeit fast nichts, und die meisten Gegenden der Stadt
werden gar nicht erst von Linien berührt.
Das sind die zwei ungelösten Probleme, die alle paar Jahre
zum Aufschrei kollaborieren. Dann wollen die einen die Straßenbahn
abschaffen, die anderen Elektobusse kaufen und die dritten die
elektrifizierte Spreewaldbahn auferstehen lassen. Die Stadt wuchert
seit Jahrzehnten planlos, Häuser entstehen, wo Infrastruktur
fehlt, und wo sie da ist, werden Häuser abgerissen, Infrastrukur
aber nicht rückgebaut. Cottbus leistet sich in einer auf
200?000 Einwohner bemessenen aufgeblähten Fläche Stadtkomfort
für gerade 80?000 Einwohner. Das wird scheitern. Im Nahverkehrsdesaster
tritt die Tendenz emotional zutage. Die Lasten sinnloser Straßen,
Wasser-, Abwasser- und Heizleitungen, Straßenbeleuchtungen,
Grünpflege usw. haben keine so laute Lobby.
Im vollkommen ungenügenden Nahverkehr - genügen kann
er erst, wenn er für jeden Bürger täglich attraktiver
ist als Individualverkehr - bleibt die Schiene das geringste Übel.
Deshalb ist es richtig, sie im Kern für eine intelligentere
Zukunft zu erhalten und zu verbessern.
3 Linien, 1 Knoten
Begonnener Wahlkampf hat der Volksdiskussion schnell Gehör
verschafft. Der Stadtverwaltung liegt jetzt ein Straßenbahn-Konzept
zur Berechnung vor, das SPD, Linke und Grüne gemeinsam für
beschlussreif halten und im Juni abstimmen lassen möchten.
Enthalten sind darin (hier schon vorgestellt) drei Linien, die
alle den Bahnhof berühren. Während die völlig unwirtschaftliche
Strecke vom Bahnhof bis Jessener Straße ruhen soll und die
nach Alt-Schmellwitz ab Bonnaskenplatz gekappt wird, soll die
Linie bis Madlow trotz hinderlicher Gleisführung erhalten
bleiben.
Gerade noch im rechten Moment fiel den Experten ein, dass nur
eine Nord-Süd-Gleisstrecke (die Bahnhofstraße hatte
im ersten Umbau-Entwurf keine Straßenbahn!) bei jeder kleinen
Havarie in der Straße der Jugend zum stadtweiten Verkehrschaos
geführt hätte.
Erlebbar, nicht erlesbar
Wenigstens eine späte Einsicht
artikuliert SPD-Stadtchef Werner Schaaf: Die tatsächlichen
Abläufe unseres Nahverkehrs sind nur erlebbar, nicht im Fahrplanheft
erlesbar. Er erkennt, dass Schnittstellen zwischen Bus und
Bahn Umsteigeorte, nicht Warteorte sein sollen. Es bedurfte erst
hektischer Leserdebatten, bis Kommunalpolitiker, die niemals Straßenbahn
fahren, von absonderlichsten Abläufen an Endstellen Notiz
nahmen. Cottbusverkehr-Chef Ullrich Thomsch räumte solche
Um-die-Ecke-Anschlüsse ein. Akzeptiert würde
nur das zügige Aus- und wieder Einsteigen direkt gegenüber,
möglichst an überdachtem Ort.
Statt für Szenarien zur Abschaffung der Straßenbahn
Geld zu verplempern, soll nun ihre innere Logik durchdacht und
verbessert werden. Denis Kettlitz, bahnpolitischer SPD-Sprecher,
sagt: Der Ausbau am Bahnhof macht den ÖPNV attraktiv
und sichert uns die Straßenbahn auf Dauer. Es gelte,
ab 2011, wie im Haushaltsicherungskonzept beschlossen, die laufenden
Zuschüsse für die Straßenbahn deutlich zu reduzieren.
Zunächst aber muss weiter, teils nach Fehlleistungen, investiert
werden in den Bahnkörper, bald auch für neue Fahrzeuge.
An dieser Stelle winken Stadtverordnete gelassen ab: Das geschieht
ja aus Fördermitteln!
Mag sein. Aber die wachsen nicht wie Bananen auf Palmen; sie sind
unser Volksvermögen. Die eigene Mitverantwortung auch dafür
zu verdrängen, ist, gelinde formuliert, naiv. J.H.
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Die Schlüsselidee
der aktuellen Planung: Der Platz vorm Bahnhof, jetzt Parkplatz
für Pkw, wird Busbahnhof, eine Straßenbahnschleife
ermöglicht, dass alle Linien den Bahnhof berühren. Der
Parkplatz rückt nach
hinten zum Wasserturm
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