Cottbus
(gg). Er wäre mit dem Bus gekommen, sagt Ulrich Thomsch,
als er auf dem DoppelPunkt-Podium Platz nimmt und markiert damit
gleich zu Beginn seine Fahrtrichtung für den Cottbuser Nahverkehr.
Im Oberdeck des Zuschauerraums nehmen es die Straßenbahn-Monteure
persönlich. Viele sind gekommen, um zu hören, wie ihre
Zukunft aussehen wird.
Dass über die endlich gesprochen wird, erleichtert nicht
nur Ulrich Thomsch, der Jahr für Jahr mit Kürzungen
im Zuschuss haushalten muss, sondern auch Werner Schaaf als Stadtverordneten
und Vorsitzenden im zuständigen Fachausschuss: Schon
2002 gab es Überlegungen, dann erste Teilprivatisierungen
bei der LWG und auch Pläne für andere städtische
Betriebe - die wurden dann aber auf Eis gelegt! Nun kocht
der Spartopf wieder, denn in der aktuellen Haushaltsdiskussion
fiel der steigende Geldbedarf des ÖPNV - 6,7 Millionen sind
es pro Jahr! - unangenehm auf. Ulrich Thomsch beschreibt, in welcher
Klemme er steckt: Wir haben den Busverkehr teilweise zusammen
streichen müssen, damit die Straßenbahn finanzierbar
bleibt - das kann so nicht dauerhaft funktionieren! Mit
Zahlen macht ihm keiner was vor: Er kennt sie alle und kann plausibel
erklären, warum der Nahverkehr nur ohne die Elektrische noch
Sinn macht. Auch wenn Cottbus damit ein Signal für alle Brandenburger
Städte mit Straßenbahnen gäbe. Für Nostalgien
ist in den harten Zahlenpaketen eines Geschäftsjahres eben
wenig Raum.
Die Studie eines Dresdner Instituts zeigt schrittweise Wege zum
letztlich kompletten Umstieg auf Busse auf und Thomsch hat Hoffnungen,
dass auch die 20 Millionen Euro Fördermittel nicht zurückgezahlt
werden müssen: Das Innenministerium muss da abwägen,
andererseits wären nämlich rund 13 Millionen Euro Inves-titionen
ins Schienennetz nötig - eines von beiden muss bezahlt werden!
Einen Bescheid oder auch nur ein Gespräch gab es dazu noch
nicht.
Solange will auch die Stadtverordnetenversammlung die detailierte
Debatte über Ausstiegszenarien noch vertagen, sagt Schaaf.
Man brauche schließlich konkrete Zahlen.
Aber man braucht noch mehr Wissen über Details, wird an diesem
Abend deutlich: Wie genau sind die Kosten über die Anschaffung
von 21 zusätzlichen Bussen hinaus denn schon berechnet? Ist
der Unterhalt wirklich billiger als der von Straßenbahnen?
Und ganz stadtfern wirds beim Thema Umwelt. Thomsch erklärt
geduldig, warum in einer Ökobilanz die Busse besser abschneiden:
Man muss bei Straßenbahnen nicht nur die Null bei
Emissionen sehen, sondern auch den CO2-Ausstoß,
den die Erzeugung des Oberleitungsstroms ausmacht!
Das Publikum im Oberdeck hält das für hergerechnet,
um den politisch gewollten Ausstieg zu rechtfertigen. Hat denn
niemand mal untersucht, wie die Straßenbahn zukunftsfähig
gemacht werden kann?
Doch, Thomsch erinnert an die Pläne, die es gab, die Linie
4 bis zum Marktkauf zu verlängern oder ähnliches. Das
Rechenergebnis: Man erreicht Kennwerte nicht, die für Fördermittel
nötig sind, so kams zu den Akten. Zu teuer.
Aus Kopfschütteln im Publikum wird erst wieder Nicken, als
er auf andere Städte zu sprechen kommt: Dort weiß
man mitunter gar nicht, was Nahverkehr kostet, weil er durch Stadtwerke-Gewinne
gegenfinanziert wird - das allerdings geht in Cottbus nicht!
Werner Schaaf als 2003 spätvereidigter Stadtverordneter muss
ihm Recht geben, weiß aber auch nur, dass das wohl nicht
mehr zu ändern ist. Beide aber sind sich einig, dass Nahverkehr
ein Zuschussgeschäft bleibt, das wohl kaum Käufer interessiert.
Ein Beschluss aus dem Jahre 2002, für CottbusVerkehr einen
solchen zu suchen, ist noch nicht aufgehoben. Doch Schaaf, konkret
darauf angesprochen, kann nur für die SPD sprechen, dessen
Vorsitzender er in Cottbus ist: Mit unserer Fraktion wird
es einen? Verkauf nicht geben!
Im Publikum entfacht sich eine emotionale Fragerunde zum Thema.
Gibt es Verkehrs-Vorfahrt auch für Busse? Wie teuer wirds,
wenn die leer durch die Straßen fahren? Was kostet ein Buskilometer
weniger als ein Straßenbahn-Kilometer?
Fragen, die nicht nur die Bürger, sondern auch die Stadtverordneten
haben müssen, die mit Gutachten-Auszügen nicht entscheiden
können. Vielfach ist der Wunsch, zum Thema länger und
öfter und mit mehr Detailwissen zu diskutieren.
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rechts:
Werner Schaaf, Ausschussvorsitzender Wirtschaft, Bau und Verkehr:
Es steht jeder wirtschaftliche Betrieb immer auf dem Prüfstand
- und Tabus gibt es nicht!
links:
Ulrich Thomsch, Geschäftsführer CottbusVerkehr: Die
Diskussion um die Straßenbahnzukunft ist viel älter
- jetzt aber liegen endlich konkrete Studien auf dem Tisch!
Nicht
nur Schlipse galt es am Weiberfastnachtsabend abzuschneiden, sondern
auch manch liebgewordenen alten Zopf, wie den von einer prosperierenden
Straßenbahnentwicklung. Im Hintergrund die Karte aus dem
Jahre 1895 mit ersten Plänen für eine Straßenbahn,
die Karl-Heinz Schlodder in seinen Beständen fand
Fotos: B. Weinreich
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Am
26. Februar
reden wir über:
Was
bringen Konjunkturgelder unserer Stadt? (Noch mehr Geld
für Unnützes?) mit Finanzbürgermeister Holger Kelch
(CDU) und Landtagsabgeordneter Dr. Martina Münch (SPD)
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