Region.
Gemessen am großen Werk des Dichters ist der Verein,
der sich seinem Leben und Werk verschrieben hat, relativ klein.
1996 gründete er sich, Heinrich Heinjak Strittmatter,
der damals noch im Bohsdorfer Laden lebende Bruder Erwin Strittmatters,
schrieb sich als erstes Mitglied ein. 150 waren es im Jahre 2001.
Inzwischen ist die Gefolgschaft des Bienkopp-, Tinko- und Stanislaus-Erfinders
auf harte Proben gestellt worden. Seit Sommer 2008 zotteln Skeptiker
am Nachruhm des am 14.August 1912 in Spremberg (Grodk) geborenen
ostdeutschen Volksdichters. Sehr zu Unrecht, wie die besten Kenner
des umfangreichen Strittmatterschen Werkes nicht müde werden
zu betonen.
Am heutigen Sonnabend ist Erwin Strittmatters 15. Todestag. Auf
dem kleinen Schulzenhofer Bergfriedhof bei Rheinsberg haben Vereinsmitglieder
Blumen niedergelegt. Heute treffen sie sich zu ihrer Mitgliederversammlung,
um öffentlich ihr Bekenntnis zu Strittmatter zu erneuern.
Das will auch die Stadt Spremberg tun - nicht zufällig hat
Elke Franke als Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung die
Leitung dieser Veranstaltung übernommen.
Es soll wieder einmal eine Heimkehr des verlorenen Sohnes stattfinden.
Strittmatter hatte es immer schwer mit Spremberg. Das ist schon
in seinem autobiografischen Laden nachzulesen. In
DDR-Zeiten wollte er wenig von den Partei-Leuten wissen, die ihn
mit provinzionellen Interpretationen seiner Romane piesackten,
und er lehnte Einladungen aus Spremberg lange ab. Dann glückte
nach 1990 doch noch die Versöhnung, und schließlich
im Sommer 2008 ergab sich erneute Distanz mit lautem Nachdenken
über die Rückbenennung der Strittmatterpromenade. Hatte
er das verdient?
Die Lausitzer Strittmattergemeinde meint: nein. Sie hat den Verruf
auch nicht zu verantworten. Den besorgte in einer überregionalen
Wochenzeitung der Germanist und Literaturkritiker Werner Liersch,
der meinte, der ostdeutsche Dichter habe seine Biografie geschönt
und seinen Waffendienst bei der SS verschwiegen. Und wenn er da
unversehens schuldlos hineingeraten sei, hätte er sich literarisch
damit auseinandersetzen müssen. Das sei er dann wohl den
Lesern schuldig.
Inzwischen sind Archive erstürmt und Quellen geprüft
worden. Richtig ist, dass Strittmatters Ordnungspolizei-Einheit
in die SS übernommen wurde, wobei Strittmatter selbst nicht
SS-Mitglied war. Die Kritik, der Dichter habe Erlebtes gar nicht
aufgearbeitet, will heute in einem Vortrag Henning Gloege widerlegen.
Der Autor des Buches Der unbekannte Strittmatter hat
sich erneut durch tausende Seiten gelesen und viele sehr deutlich
aufarbeitende Stellen aufgefunden.
Auch der Historiker Bernd-Rainer Barth, den die Schriftsteller-Witwe
Eva Strittmatter mit fundierten Recherchen beauftragte, hat inzwischen
Liersch leichtfüßige moralische Verurteilung eines
Künstlers auf der Grundlage von Andeutungen, Vermutungen
und aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten vorgeworfen.
Die Mitglieder des Strittmattervereins und die Stadt Spremberg
stellen sich nun der Aufgabe, Zeitgeschichte und Zeitgeist sorgsam
zu befragen. H.
Spätes Heimweh
In der Dämmerung, in der Stunde, die die Franzosen
die Stunde zwischen Hund und Wolf nennen, sitze ich angealterter
Lebensdurchwanderer heute zuweilen in meiner Arbeitsstube und
versuche an nichts, aber auch an nichts zu denken. Ich wehre mich
aber auch nicht, wenn es aus mir drinnen zu denken anfängt,
wenn das kleine Südost-Fenster meinen Blick auf sich zieht,
das Südost-Fenster, vor dem die Buntnessel steht, jene Pflanze
mit pfingstrosenroten Blättern, die Brecht und ich uns vor
Jahrzehnten aus Belgien mitbrachten. Weshalb ist es immer wieder
dieses Südost-Fenster meiner Arbeitsstube, durch das meine
Gedanken mich zu meinem Heimatdorf Bossdom hinziehen? Ich sehe
auf dem Atlas nach, leg den Zeigefinger auf das Pünktchen
der Landkarte, das Rheinsberg heißt, und lege den anderen
Zeigefinger auf den Punkt, der Grodk oder Spremberg heißt,
und das Rätsel ist gelöst: Das Südost-Fenster weist
nach Bossdom. Erwin Strittmatter
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Ein lachender
Erwin Strittmatter, wie man ihn in der Blüterzeit seines
Schaffens kaum kannte. Der Meister bildhafter Sprache wusste sich
öffentlich stets als tief nachdenklicher Typ zu inszenieren
Foto:
Strittmatter Verein
Der Laden in Bohsdorf, Schauplatz großer Teile des
gleichnamigen Werkes in drei Bänden, ist gefragtes Literaturmuseum
Imker und Naturfreund Heinrich Strittmatter ist nach 1994 ein
wenig in der Rolle seines Bruders aufgegangen; er schrieb auch
schon mal Autogramme in die Bücher...
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