Cottbus
(h). Bei Konditormeis-ter Gerber im Keller des Hauses Bahnhofstraße
63 leckten noch die gasgespeisten Flammen am duftenden Teig. Schon
den ganzen Herbst war reichlich zu backen, zumal auch die stadtbekannten
Christstollen in Riesenmengen rechtzeitig fertig werden mussten.
Gerber, der das Café Lauterbach in den 1980er Jahren zu
glänzendem Ruf geführt hatte, war wohl der letzte in
Cottbus, der Baumkuchen noch auf offenem Feuer buk, so wie es
Marie Groch ab 1818 in der Promenade / Ecke Wallstraße (heute
Friedrich-Ebert-Straße) getan hatte.
Der Baumkuchen ist ein sonderliches, sehr edles, ja königliches
Conditoren-Gewächs. Seinen Namen hat er von den Jahresringen,
die im durchschnittenen Stamm sichtbar werden. Sie
entstehen durch schichtweises Backen.
Auf eine liegende Walze wird die erste Teigschicht dünnflüssig
aufgetragen. Das Feuer, das schräg von unten auf die Walze
trifft, bäckt den Teig hellbraun aus, und schon löffelt
der Konditor, den Kuchen drehend, eine nächste dünne
Schicht darüber. Mit einem Holzkamm sorgt er dafür,
dass nicht ein langweilig glatter Stamm, sondern die typische
Form mit ihren späteren Etagen entsteht.
Kräftig breitet sich der Duft des süßen, reich
mit Ei und Mandeln veredelten Gebäcks durch alle Räume
aus. Aber fertig ist der Baumkuchen erst, wenn er nach gutem Auskühlen
mit Zucker-, Zitronen- oder Schokoladenglasur überzogen ist.
Baumkuchen ist dank des Eifers der Maria Groch und deren Tochter
Wilhelmine Kluge, die es 1886 zur königlichen Hoflieferantin
brachte, und zahlreicher Konditoren danach zu Cottbuser Ruhm gekommen
und wird noch heute - wenn auch unter elektrisch erzeugter Hitze
- in der Baumkuchen Manufaktur Lauterbach (jetzt Mühlenstraße
/ Spremberger Straße) hergestellt, und zwar von Detlef Drobick,
der die Kunst schon vor 40 Jahren in Gerbers Keller in der Bahnhofstraße
erlernte und als ihr unübertroffener Meister gilt. Eine alleinige
Cottbuser Spezialität ist der Baumkuchen aber nicht.
Im Gegenteil: Gerade hat Cottbus den Baumkuchen-Wettlauf verloren,
denn die Rezeptur und die Backweise über offener Flamme ist
seit Anfang Dezember 2008 im Münchener Patentamt als geschütze
Marke Salzwedeler Baumkuchen eingetragen. In der anhaltinischen
Stadt hat Johann Christian D. Andreas Schernikow schon 1807 den
Baumkuchen beschrieben und ab 1808 in seiner Conditorei
und Baumkuchen-Fabrication hergestellt. Zehn Jahre vor Marie
Groch also schon. Was aber vor allem zählt: Die Schernikowsche
Conditorei blieb bis heute im Familienbesitz, und die jetzige
Inhaberin Bettina Hennig hat in mehreren Jahren aufreibenden Aktenkampfes
den Markenschutz erzwungen.
Auch in der Oberlausitz, in Dresden, in Stettin und sogar in Tokio
wird Baumkuchen gebacken und gern gegessen. Den feinen Unterschied
macht der Umgang mit dem geschlagenen Eiweiß aus, das möglichst
spät unter den Teig gezogen wird, was letztlich die Lockerheit
ausmacht. Die Art der Glasur ist dann Geschmackssache.
Präsentiert wird Baumkuchen als Ganzes in ein, zwei oder
bis zu sechs Etagenreifen oder auch schon zerschnitten und glasiert
in Baumkuchenecken. Überliefert ist, dass Baumkuchen, da
der sächsische Christstollen damals noch nicht die preußische
Gunst errungen hatte, hier das edelste Weihnachtsgebäck war
und zum Beispiel am königlich-kaiserlichen Hof in Potsdam
und Berlin in hohem Rang stand. Auch Pückler soll seine Gäste
mit Baumkuchen - womöglich von Wilhelmine Kluge aus der Mühlenstraße
123 (heute Hinterausgang Heron) - erfreut haben, und Graf von
der Schulenburg schätzte das Gebäck ebenfalls.
Dass klassischer Baumkuchen im privaten Bereich, also außerhalb
von Konditoreien, gebacken wurde, ist schwer vorstellbar. Allerdings
gibt es heutzutage Enthusiasten, die auf ihren eigenen Block-Baumkuchen
schwören. Dazu gehört vor allem viel Geduld, denn dieser
Kuchen wird ohne rotierende Walze in einer Form in der Röhre
Schicht um Schicht fabriziert. Eine Teiglage nach der anderen
wird dünn aufgetragen und jeweils sechs bis sieben Minuten
goldgelb gebacken. Sicher eine Geduldssache, die sich mit einem
bequemen Stuhl und einem guten Buch vor der Backröhre aussitzen
lässt. Unter 15 Schichten hat das Werk wenig Sinn. Glasiert
wird es dann wie der richtige Baumkuchen.
Den gibt es übrigens seit Jahren auch schon in BIO-Fassung
bei der einschlägig bekannten Bäckerei Schmidt. Auch
er entsteht aus der Baumkuchenmaschine mit elektrischer Heizung.
Ob jemand den Unterschied zur auf offener Flamme gebackenen Variante
herausschmeckt? Wer weiß das schon... J. Heinrich
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Im Biedermeierkleid
steht Baumkuchenbäckerin Marie Groch mit dem anonymen Fischer
und einer Marktfrau auf dem Altmarktbrunnen und betrachtet das
Weihnachtstreiben
Der
Cottbuser Postkutscher vergisst gerade zur Weihnachtsmarktzeit
nie, seine Gäste auf eine Cottbuser Spezialität hinzuweisen:
die Baumkuchen-Manufaktur im Café Lauterbach
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