aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Weil Karneval hier immer von Herzen kommt
Tradition in der Lausitz reicht bis 1873 zurück, nach „zu Grabetragung“
1956 gab’s noch „Fasching“

Cottbus. Schon im 14. Jahrhundert sind Zamperumzüge der Sorben und Wenden belegt. Die wollen zwar mit Karneval nichts zu tun haben, gehören wohl aber auch ins närrische Treiben. Wahr ist: Die Lust am Verkleiden und am spielerischen Rollentausch zwischen Reich und Arm ist älter als alle Geschichtsschreibung, doch, sagt Frank Czepok, als Präsident des Karnevalverbandes Lausitz der oberste Narr der Region, gibt es erste Zeugnisse Cottbuser karnevalistischer Geschichte aus 1873. Damals gründete sich der sogenannte „Kleine Rat“ aus Rheinländern und Cottbusern, die langsam den Karneval aufbauten und bis zum ersten Weltkrieg auch lebten. Die Rheinländer zog es mit der aufblühenden Tuchindustrie an die Spree und mit ihnen kamen Elferrrat, Prunksitzung und Bütt hierher.
Für Letztere ist Blümchen aus Groß Gaglow, der eigentlich Wilfried Hillebrand heißt, bekannt. Den Mund hat er sich mit seiner Bütt selten verbrannt, berichtet er, denn seit 1990 herrscht Meinungsfreiheit auch im Karneval. Ein Umstand, der mitunter auch den Spaß mindert, denn gerade in den kleinen Spitzen gegen Staat und Zentralrat lag früher oft der Reiz, beschreibt Frank Czepok. Wirklich Ärger hätte es aber auch hier nicht gegeben - sagt er mit Blick darauf, dass auch heute der öffentliche Rundfunk gern mal zensiert, was über die Bildschirme laufen soll. Das ärgert die Narren schon, denn gerade in der Persiflage und Kritik der Regierenden findet der Karneval seine Bestimmung und Erfüllung. Nur in den 50er Jahren - da drangsalierte die Bezirksleitung der SED so arg den jungen Nachkriegs-Karneval, dass mit dem studentischen Akt 1956 - ein Sarg wurde durch die Stadt getragen - der Cottbuser Karneval sein vorläufiges Ende fand.Vor allem die preußisch anmutende Prinzengarde war den Kommunisten ein Dorn im Auge. Im Publikum erinnert sich Arno Heering daran, wie es hinterher weiterging: „Karneval gab’s vorerst nicht, wohl aber Fasching mit bunten Feiern und zahlreichen Maskenbällen in vielen Sälen. 1960 organisierte der Clubrat im Haus der Jugend auch wieder einen Karneval mit Prinzenpaar und Garde!“ Da war er der Prinz der Session. Später bahnte sich nach ersten Anfängen 1989 und 1990 der erste große Umzug der Narren 1992 einen Weg durch die Innenstadt.
Das Kölnische Vorbild blieb immer erkennbar. Obwohl, sagt Blümchen - einen gravierenden Unterschied gäbe es zur Rheinischen Fröhlichkeit: „Hier wird Karneval von?Herzen gemacht und nicht von Geldbörsen!“ Ausschließlich im Ehrenamt und in der Freizeit stemmen Lausitzer Karnevalsvereine hunderte Veranstaltungen und wertvolle Kinder- und Jugendarbeit, tanzen fast wie Profis und erarbeiten Programme.
Nebenbei ermöglicht der Karneval auch wirtschaftliche Impulse und Kontakte - sei es beim fröhlichen Treff unter Narrenkappen als auch bei Kostümschneidern und Brauereien.

 

Zu Gast bei Gabi Grube war:


links: Wilfried Hillebrand: „In diesem Jahr bekommt unser OB Szymanski in meiner Bütt auch sein Fett weg! Das ganze Jahr sammle ich schon Stichworte. Das Bes-te: Es gibt guten närrischen Nachwuchs in der Bütt!“

rechts: Frank Czepok, Präsident des KVL: „Für eine lückenlose Chronik suchen wir Dokumente und Fotos der zahlreichen betrieblichen Faschingsfeiern und Karnevals zwischen 1960 und 1980. Wer findet sie im Archiv?“

 

 

Am 20. November
reden wir über:
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„Wer und was kurbelt die Wirtschaft in Cottbus an?“ - mit Wulf Goretzky von der EGC und Markus Stabler von der Technologietransferstelle der BTU

 

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