Cottbus.
Es sind genau die Wellen von Kap Hoorn bei Windstärke
8. Sie nehmen grau-zerrissen schäumend die ganze Vorhangfläche
ein. Die Musik stöhnt und jagt jaulend dahin. In heller Mitte
steht hochdramatisch Prospero auf dem Fels und dirigiert mit großer
Geste - eine Lichtgestalt. Und er dirigiert schicksalsschwer.
Der Dreimaster (ein Schiffsmodel) wird von meergrauen Tänzern
wogend und tosend durch diesen Orkan getragen und versinkt schließlich.
Die Geschichte, die sich der Zauberer Prospero gemacht hat, kann
beginnen. Es ist, wie es im Text heißt, der Stoff,
aus dem Träume gemacht sind - und unser kurzes Leben vollendet
sich im Schlaf.
Endlich ein schönes Märchen auf der Bühne. Dank
Shakes-peare, dessen letztes Werk dies sein soll, dank Jean Sibelius,
dessen letzte Komposition das ebenfalls sein soll, und dank Martin
Schüler, dessen letzte Regiearbeit dies hoffentlich nicht
bleibt.
Das Märchen erzählt von einem belesenen Mann, der sein
Reich verliert, mit seiner Tochter in einem Boot ausgesetzt wird,
auf einer Insel strandet und dort mit seinem Zauberbuch alle Wesen
und Naturgewalten zu beherrschen lernt. Er hat wohl viel Spaß
dabei; auch, als oben erwähntes Schiff, besetzt mit seinen
Feinden, in Inselnähe gerät und er, Prospero, es in
den Sturm und gegen die Klippen dirigiert. Dieser Zauberer ist
Frieder Venus, ein Gast an der Cottbuser Bühne, der große
Güte und Nachsicht ausstrahlt, der gelassen und mit samtener
Stimme die Geschehnisse führt. Die werden zumeist ohnehin
von Musik (Musikalische Leitung GMD Reinhard Petersen) getragen
und getrieben. Die Geistergesänge (Heidi Jütten als
Luftgeist, Gesine Forberger als Geist Juno) ertönen in englischer
Sprache, direkt also aus The Tempest von Sibelius,
dessen Bühnenstück gut 300 Jahre nach Shakespeares Der
Sturm entstand.
Die Bühne ist eine gut variable Felseninsel, auf der das
Ballett viel Arbeit für Geisterreigen hat, die es - Ton in
Ton mit dem grauen Gefels - auch hervorragend leistet. Eigentlich
im Mittelpunkt steht das junge Paar: Miranda, die Tochter von
Pros-peros (Judith Patzelt) und Königssohn Ferdinand (Jan
Hasenfuß). Beide finden sich in allem Tumult um Rache und
Vergebung, in dem es - typisch Shakespeare - auch an lausigen
Liedern nicht fehlt, bei denen Heiko Walter (Stephano) mit seinem
Kumpel Trinculo (Dirk Kleine) hoch in Form kommt. Hans-Peter Jantzen
ist der erschöpfte König von Neapel, Michael Becker
sein Bruder Sebastian. Als Antonio, Prosperos Bruder, taucht Kai
Börner auf, der nach der Pause regelrecht kaputt geht und
mit wackelndem Kopf an die Wand läuft. Als Ratsherr Gonzalo
wiegt Wolf-Dieter Lingk seine Worte in den Händen, und Hardy
Brachmann ist der geradezu verrückte Sklave mit Flossenfüßen.
Am Schluss ordnet Bootsmann Wolfgang Kaul die letzten offenen
Fragen.
Ein wundervoller Märchen-Sturm tobt in unserem
Theater. Hauke Tesch hatte die Co-Regie, Gundula Martin ersann
die abenteuerliche Bühne, Susanne Suhr die romantischen Kostüme.
Für den Chor ist Christian Möbius verantwortlich, die
schönen Choreografien besorgte AnnaLisa Canton. Obgleich
die Premiere nicht ausgebucht war (vielleicht wegen des Bayern-Spieles?)
gab es viel Beifall für einen genussvollen Märchenabend.
J.H.
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Frieder
Venus als Prospero
vor seinem Zauberbuch
Fotos: Marlies Kross
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