Region
(h). Mit einem Festgottesdienst wird Sonntag ab 14 Uhr in Sielow
ein neues wendisches Gesangbuch Duchowne Kjarlize
eingeführt. Anna Kossatz, Mitarbeiterin für sorbisch-wendische
Angelegenheiten im Cottbuser Rathaus, sagt: Ein Jahrhundertwerk
wurde damit vollendet.
In der Tat ist das Wohl eingerichtete Wendische Gesangbuch
von Johann Ludwig Will seit 1760 in Cottbus vielfach nachaufgelegt,
letztmalig aber 1915 gedruckt worden. Der wendische Pfarrer und
Publizist Bogumil Schwela, nach dem in Schmellwitz eine Straße
benannt ist, hatte die letzte Auflage in der 1906 neueröffneten
Sielower Kirche eingeführt, und deshalb soll das neue Buch
der wendischen Choräle auch hier seine Weihe erfahren.
Am Gesangbuch hat seit mehr als zehn Jahren eine Arbeitsgruppe
gewirkt, die zunächst unter Leitung des 2004 verstorbenen
Generalsuperintendenten und früheren Sielower Pfarrers Reinhardt
Richter stand. Im Vorwort des neuen Buches würdigt Bischof
Wolfgang Huber die engagierte Arbeit Richters für dieses
Buch, das dem seit 1987 wiederbelebten Gottesdienst in wendischer
Sprache und der wendischen Identität selbst nachhaltige Dienste
leistet. Im Förderverein zum Gebrauch der wendischen Sprache
in der Kirche e.V. haben der Kahrener Pfarrer Helmut Huppatz,
der Peitzer Pfarrer i.R. Georg Frahnow, Werner Meschkank vom Wendischen
Museum Cottbus und weitere Helfer mühsam um die muttersprachlichen
Kirchenlieder gerungen.
Das neue Gesangbuch in schwabacher und lateinischer Schrift hat
952 Seiten. Es erschien im Bautzener Domowina Verlag und kostet
im Buchhandel 14,90 Euro.
Hier irrte Martin Luther
Die wendische Sprache am Geschichtsstammtisch
Cottbus (h.) Das Wendische erlebt in der Niederlausitz eine
neue Blütezeit. Anna Kossatz, Sorben-Wenden-Beauftragte im
Rathaus, freut sich darüber und führt Beispiele an:
Seit nun 22 Jahren zieht alljährlich der Zapust-Zug des Niedersorbischen
Gymnasiums zunehmend erfolgreich durch die Stadt. Nie hätte
früher jemand glauben mögen, dass sich dieses schöne
dörfliche Ritual in der Stadt durchsetzen kann, sagt
die diplomierte Slawistin und Kulturwissenschaftlerin aus Drehnow.
Seit 1987 gibt es regelmäßig wendische Gottesdienste
und jetzt endlich auch ein neues, zeitgemäßes wendisches
Gesangbuch (siehe Seite 1), in das auch rein wendische Lieder
aufgenommen sind.
Nach dem II. Weltkrieg habe es einige gute Signale für den
Fortbestand der sorbischen (in Sachsen) und wendischen Kultur
und Sprache gegeben, erläuterte Anna Kossatz beim jüngsten
Geschichtsstammtisch im DoppelDeck. Befreiend nach
den dunklen Zeiten des Verbots oder des folkloristischen Missbrauchs
des Wendentums war 1948 das sächsische Gesetz zur Wahrung
der Rechte der sorbischen Bevölkerung. Es ging mit Gründung
der DDR 1949 als Paragraph 11 in die Verfassung ein. Der Brandenburgische
Landtag beschloss 1951 eine entsprechende Verordnung.
Damals war die sorbisch-wendische Welt noch heil. In Bautzen und
auch in Cottbus wurde das sorbische bzw. wendische Abitur komplett
in dieser Sprache abgelegt. Seit 1960 ist sorbisch nur noch eine
Fach-Sprache, also Fremdsprache am Niedersorbischen Gymnasium;
der sonstige Unterricht findet in deutsch statt.
Aber in der Frage der wendischen Sprache irrte schon Luther, der
vor 500 Jahren sagte, in 100 Jahren spreche kein Mensch mehr wendisch.
So wie er es für die Deutschen nötig fand, dass Gläubige
das Wort Gottes in ihrer Muttersprache statt in Latein lesen sollten,
sorgten auch Wenden bald dafür, dass das Neue Testament in
wendisch herauskam. Auch ein wendisches Gesangbuch ist seit 1760
regelmäßig in Cottbus verlegt worden. Jetzt ist nach
fast 100 Jahren Pause eine neue Ausgabe entstanden.
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Anna Kossatz,
Sorben-Wenden-Beauftragte der Stadt, präsentiert das neue
Gesangbuch
Foto: Hnr.
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