Cottbus
(gg). Die Legende vom Nikolaus war Ideengeber des Abends am Donnerstag.
Denn Armut gab es schon immer auf der Welt - meist unverschuldet,
wie beim Seefahrer vor der türkischen Küste, dessen
drei Töchtern der Heilige Nikolaus 300 nach Christus Goldnüsse
in die Socken steckte, damit sie wegen des Schiffbruchs des Vaters
nicht Armut und Prostitution anheim fielen.
Auch in Deutschland, in der Lausitz, gibt es sie, die Armut, die
schon beginnt, wenn einem Haushalt weniger als 60 Prozent des
durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung steht.
Und obwohl die Wirtschaftszahlen vom Aufschung sprechen, steigt
die Zahl derer, auf die das zutrifft. Allein in Cottbus sind es
18,1 Prozent aller Haushalte (2006), die weniger als 900 Euro
Haushaltseinkommen haben.
Thomas Prescher hat als Sozialarbeiter im Straßencafé
und in Beratungsstellen des Diakonischen Werkes mit vielen von
ihnen zu tun: 30 bis 40 Menschen kommen täglich ins
Straßencafé. Und in Sachsendorf und Schmellwitz beraten
wir rund 250 Familien in Schulden- und Beihilfefragen. Zum Monatsende
wird das Geld immer knapper!
Ebenso wie er weiß auch Steffen Reiche, dass Armut immer
auch mit Arbeitslosigkeit korrespondiert: Ich bin dafür,
jedem einen Rechtsanspruch auf einen 1-Euro-Job zu garantieren
- wir dürfen die Menschen nicht ausgrenzen, wenn sie arbeiten
wollen! Die Praxis ist dagegen beschämend, weiß
Thomas Prescher, der es erlebt hat, dass Menschen abgewiesen wurden,
weil die sogenannten MAE-Jobs für die gedacht wären,
denen der Wille zu arbeiten erst anerzogen werden müsse.
Politisch habe man Fehler gemacht, indem man den Spitzensteuersatz
zu stark gesenkt hätte und damit die Reichen aus der Verantwortung
für diese Gesellschaft entlassen habe. Da seien Korrekturen
nötig, sagt Reiche. Aber mitunter verhindern parteitaktische
Gründe notwenidige Diskussionen. Zum Beispiel beim Mindestlohn.
Sozialarbeiter Prescher schüttelt den Kopf: Viele haben
deshalb schon aufgegeben und erwarten nichts mehr von der Politik!
Reiche macht Hoffnung: man wolle nach dem nächsten Armutsbericht,
der im Frühjahr erwartet wird, entscheiden, ob und wie das
Geld für die Menschen am sozialen Rand erhöht werden
müsse. Reiche schildert die Probleme: Wir suchen nach
gangbaren Wegen,damit das Geld, das für die Kinder gedacht
ist, auch bei ihnen ankommt! Es ärgert ihn deshalb,
wenn das Selbstbestimmungsrecht der Eltern über den Kinderschutz
geht. Die Resultate schlagen sich in den Horrorr-Nachrichten aus
Plauen und Schwerin aktuell nieder.
Diskussionen gibt es aber nicht nur über elterliche Verantwortung
und Grenzen staatlicher Einflussnahme, sondern auch um die Rolle
der Bildung, damit Armut nicht erblich bleibt, wie sie es immer
mehr zu sein scheint. Thomas Prescher geht dennoch froh nach Hause,
er ist eingeladen, mit Interessierten nach Berlin zu kommen und
sich das Ungetüm Politik im Reichstag von Nahem
anzuschauen.
Kostenlos. Und vielleicht nicht ganz umsonst.
Das
Publikum, hier Richard Schenker, fordert mehr Landesinvestitionen
in Bildung, damit Chancen gleich verteilt sind, und gefragt wird
auch nach der Rolle des Bildungsministers Steffen Reiche, der
er fünf Jahre lang war
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Zu Gast bei Gabi
Grube waren:
Links:
Bundestagsabgeordneter Steffen Reiche (SPD): Es gibt viele
Beispiele von Menschen, die auch mit wenig Geld gut leben können.
Dennoch: Für die Kinder muss mehr getan werden!
Rechts: Sozialarbeiter Thomas Prescher: Viele Eltern verzichten
mit Rücksicht auf ihre Kinder auf eigene Ansprüche.
Aber es gibt auch das Gegenteil, wenn Eltern Fürsorge nicht
geben können!
Das
vorsichtige Fazit dieser Runde:
: Die Grundsicherung mit 345 Euro
und den Kosten der Unterkunft hat geholfen, viele Menschen vor
einem finanziell noch tieferen Fall zu bewahren.
: Steffen Reiche gibt einen Ausblick:
Die Politik plant eventuell ab 2008 Ausgaben von 2 Milliarden
Euro für die kostenlose Kindergartenbetreuung, die Kommunen
könnten in die Pflicht genommen werden, alle Kinder kostenlos
mit einem Mittagessen zu versorgen
: Die SPD ist dafür, dass
alle Europäer in Deutschland arbeiten dürfen, allerdings
mit Mindestlohnregelung (7,50)
Kommende Woche
reden wir über:
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Welcher
Weg ist richtig für die Cottbuser Schulentwickung?
Mit Wolfgang Neubert, Ausschussvorsitzender und Marianne Spring
(FLC).
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