Cottbus
Die Trauer ist voller Bitternis. Kein Platz für milde Güte,
gar Vergebung. Am Kindsgrab verdingt sich der Tod und wird zum
Fanal wildester Hasstiraden. Rache! gibt sich als moralische Rechtfertigung
für enthemmte Machtgier. Kein Ritterszenario, das da vor
Schlachthausklinkern abläuft, sondern Zerrbild mafiöser
Allgegenwärtigkeiten.
Bernd Mottl, der hier schon die Butterfly und Blume
von Hawaii oder Der kleine Horrorladen inszenierte,
aber auch Kleists Penthesilea - dieser spritzige Regisseur
modelliert eine kriegerische Eskalation. Nur wenige Theater interessierten
sich je für das eher staubige Frühwerk des ewig zürnenden
Heinrich von Kleist (1777-1811), der am Ende seiner Weltenzweifel
selbstmörderisch erlag. Beinah hätte er sich bei Verwandtschaft
hier in Gulben umgebracht, doch nahm er sich dann am Berliner
Wannsee das Leben.
So oder so ist unsere Bühne dem Schaffen Kleists, der in
Frankfurt geboren ist, verpflichtet. Die Oderstadt wird vom Staatstheater
bespielt, dort war auch die erste Premiere, die zweite - leider
nicht so gut besucht - hier.
Erzählt wird eine Geschichte um Erbschaft, Machtgier, Vormacht.
Zwei Clans einer Familie (es könnten auch zwei Gangs einer
Stadt, zwei Parteien eines Landes, zwei Händler einer Marke
sein) lauern, dass dem anderen die Puste - hier die Nachkommenschaft
- ausgeht und sind angesichts des Lohnes der Alleinherrschaft
(Marktdominanz) zu jeder Tat bereit und vor allem: Zu jeglicher
Unterstellung.
Friedrich Eggert hat dem so modernen Spiel alter, wuchtiger Texte
ein praktisches Bühnenbild gegeben. Wie aus dem Schlachthaus
kommt alles bizarre Leben und verschwindet gefühlskalt darin.
Eine Mauer dreht sich fort und fort, ist Grab, Garage, P2-Wohnung.
Rolf-Jürgen Gebert stößt den Fluch aus am Kindersarg,
den Schlachtruf des Rupert Graf von Schroffenstein. Sylvester
(Hans-Peter Jantzen) ist sein trotziger Gegenüber. Gefasst
lauern beide, am Ende enthemmt die eigenen Kinder tötend.
Überzeugend gespielt mit List, brutal, verschlagen.
Die andere Ebene verkörpern Teresa Waas, Silvesters Tochter,
und die Sprosse der anderen Seite, Ottokar (Jan Hasenfuß)
und Johann (Christian Meier). Nein, Kleist hat sie nicht als Romeo
und Julia ausgelotet, vielmehr als die Gehetzten, die Chancenlosen
in diesem Gesellschaftsgebäude. Sie verlieren sich in der
Tat nicht im Tendeln, sondern verheddern und verhetzen sich in
den Vorhängen. Großartig gespielt - auch der Rest vom
Ensemble.
Mal wieder Schauspiel zum Weitersagen. Bravo! J. Heinrich
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Wahnhaftes
Gemetzel: Die Väter bringen am Ende ihre Kinder um. Kleists
Familie Schroffenstein ist heutig inszeniert, ein
Schauspiel der eskalierenden Verblendung in der Regie von Bernd
Mottl Foto:
Marlies Kross
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