Cottbus
(h.) Nur selten befassen sich Heimatforscher mit Armut und deren
baulichen Zeugnissen. Der Glanz von Schlössern und Palästen
ist reizvoller, und so sind Armen- und Waisenhäuser landauf,
landab zumeist längst abgerissen. Auch in Cottbus geschah
dies noch im Januar 2005 ohne Not. Das Gebäude neben Cottbusverkehr
in der Berliner Straße schien dem Ausbau der Waisenstraße
im Wege zu stehen. Leer und ungenutzt war es ohnehin seit Jahren.
Der heimatgeschichtliche Stammtisch im DoppelDeck befaßte
sich diese Woche mit den Armen von einst. Mitte des 19. Jahrhunderts
lebten unter den 46 000 Einwohnern des Kreises Cottbus immerhin
1 100 Waisen unter 14 Jahren. Für viele gab es keinerlei
fürsorglichen Elternersatz; sie hatten nicht die Groschen
für das Schulgeld und gingen sogar betteln.
Diesem Jammer öffnete ein wahrhaft edler Mensch
sein Herz: Dr. Robert Immanuel Berger. Er war ab 1836 Diakon an
der Oberkirche und war als Waisenlehrer in Halle ausgebildet worden.
Als der Magistrat 1842 Ströbitzer Abfindungsländereien
außerhalb der Luckauer Vorstadt zur Erbpacht ausschrieb,
erwarb Berger gut 3 000 Quadratmeter und baute hier seine Waisenschule.
Es sind viele Zeugnisse der Spendenfreude der Cottbuser überliefert.
Berger kümmerte sich auch selbst um die Finanzen, so durch
Publikationen wie den Friedenboten, deren Erlöse
er dem Waisenhaus zukommen ließ. Im Wochenblättchen
war zu lesen, dass für ein gestaltetes Weihnachtsfest
in der Waisenpforte gesammelt würde.
Bergers Anliegen war, die Kinder zu guten und nützlichen
Menschen zu erziehen und sie vor dem Betteln und Müßiggang
zu bewahren. In 29 Jahren hat Berger immerhin 132 Waisen
in ein - vermutlich - tüchtiges Leben entlassen.
Berger starb 1884. Das Grundstück fiel an den Magistrat zurück,
der die Waisenschule aber nicht erhalten konnte. Erst ab 1897
wurde das Haus wieder für eine Hilfsschule genutzt. Zu Dr.
Bergers Ehren wurde die Straße Waisenstraße
genannt. Die Zusammenhänge zwischen diesem Namen und dem
Haus kennt aber kaum jemand.
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Der Ausgangspunkt
für den Begriff Waisen- straße wird zu Ziegelstaub
zerschreddert. Bei etwas mehr kulturhistorischem Gefühl hätte
sich eine Nutzung finden lassen
Die Waisenpforte
ist im Zuge des westlichen Stadtring-Ausbaus im Januar 2005 abgerissen
worden. Das schlichte Gebäude hier in der Bildmitte, von
der August-Bebel-Straße aus betrachtet, stand direkt am
der Spreewaldbahn, die hier die Berliner Straße kreuzte
Fotos:
Karl-Heinz Schlodder
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