Cottbus
(GHZ). Erstmals seit Jahren spüren wir eine Konjunkturbelebung
und darauf aufbauende Aufbruchstimmung, leitetet IHK-Präsident
Ulrich Fey Dienstag einen wirtschaftspolitischen Vortragsabend
im BestWestern-Hotel ein. Unverzüglich setzte er jedoch das
Aber hinzu: Statt guter Signale kämen von der Regierungskoalition
zermürbende Diskussionen und klägliche Reförmchen.
Die Politik habe sich, so Fey, von der Absicht verabschiedet,
Steuerpolitik einfach, transparent und gerecht zu gestalten. Lösungsansätze
gebe es, sie würden aber im Parteienstreit zerrieben; Ideen
würden bekämpft, wenn sie nicht aus den eigenen Reihen
kämen.
Verbale Steilvorlagen für Gastredner Dr. Guido Westerwelle,
Vorsitzender der Bundes-FDP und Oppositionsführer im Deutschen
Bundestag. Der legte, an ironischen Querschlägern nicht sparend,
heftig nach. Möglicherweise zwei Prozent Wirtschaftswachstum
seien in den Augen deutscher Patrioten wohl erfreulich, räumte
er ein, der europäische Durchschnitt liege aber höher
und in der Welt seien vier bis fünf Prozent Wachstum aktuell.
Das heißt für Westerwelle: Wir holen nicht auf,
wir fallen nur etwas langsamer
zurück! So gesehen sei die Frage, ob wir einen frühen
Merkel- oder späten Schröder-Aufschwung erleben hinfällig.
Momentanes Wachstum sei wahrscheinlich mehr dem milden Wetter
als der Koalition zuzuschreiben. Er, Westerwelle, wolle die Party
der Regierung nicht stören, müsse aber zu größter
Dringlichkeit bei Strukturreformen mahnen. Deutsche Steuerpolitik
stellt doch einfachste wirtschaftliche Grundregeln infrage: Erstens
muss sich Leistung lohnen, zweitens muss, wer arbeitet mehr verdienen
als jemand, der nicht arbeitet. Beides funktioniert nicht,
erklärte der FDP-Vorsitzende und frozzelte: Es scheint
unterdessen ein vor teutonischen Ohren streng zu hütendes
Geheimnis zu sein, dass nur Steuern zahlen kann, wer Arbeit hat.
Er kritisierte kräftig die als Lohn-Nebenkosten
klein geredeten viel zu hohen Lohnzusatzkosten und andere politikgemachte
Hinderungsgründe für einen Einstellungsboom. Ein Lob
erteilte der als eingefleischter Gegner des Gewerkschafts-Funktionärswesens
bekannte Wirtschaftsexperte den moderat agierenden Tarifpartnern.
Für den Mittelstand forderte Westerwelle erheblich verbesserte
Bedingungen. Wenn die Regierungskoalition jetzt die Bürokratiekosten
um 60 Millionen Euro senken wolle, sei das eher eine kabarettistische
Nummer angesichts von 46 Milliarden (!) Euro jährlicher Bürokratiebelastung
für den Teil der Wirtschaft, der die meisten Jobs schaffen
könnte. Weniger staatliche Steuerung, mehr privater Spielraum
- hier liege sein Schwerpunkt nach Eintritt in die Bundesregierung,
vermutlich noch vor 2009. Westerwelle macht keinen Hehl
daraus, dass er der Koalition keine lange Zeit mehr einräumt.
Die nehmen mir als Stimme der Opposition jetzt schon die
Arbeit ab. Mit Ausdrücken bewerfen die sich...!
Die derzeitige Regierung flicke nur an alten Systemen; die FDP
sei für neue Systeme. Die Rentenerhöhung auf 67 Jahre
sei beispielsweise für viele nur eine Verlängerung von
Arbeitslosigkeit um zwei Jahre. Die Gesundheitsreform habe mit
dem beschlossenen Gesundheitsfonds aus einer Bürokratie (der
Krankenkassen) zwei gemacht, was zu weiterer Verteuerung der Versorgung
führe. Es sei besser, kein Gesetz zu machen, als ein schlechtes,
argumentierte Westerwelle, und wenn schon neue Verordnungen,
dann bitte mit Verfallsdatum, wie in anderen Ländern.
So sei ein Prüftermin für Gesetzesaktualität garantiert,
der nicht nur für die wilhelminische Sektsteuer, die einst
zur Finanzierung der längst untergegangenen kaiserlichen
Flotte eingeführt wurde, überfällig.
Trotz konzentrierter Kritik appellierte Westerwelle zusammenfassend
an die Unternehmer: Wenden sie sich nicht ab von der Politik.
Denn der Platz, den Sie verlassen, bleibt nicht frei. Ob er gut
besetzt wird für unser Land, ist nicht immer sicher.
Eine persönliche Frage zum politischen Weg von Friedrich
Merz, der alle CDU-Ämter niederlegt, beantwortete Westerwelle,
dem das Publikum zutraut, dass er Merz gern auf FDP-Seite sähe,
ausweichend. Er sei mit Merz seit Studentenzeiten gut befreundet.
Wenn ich hier erzählte, wann und worüber ich zuletzt
mit Merz telefoniert habe, hätten Ihre Zeitungen dicke Schlagzeilen...
Unter Zeitdruck hinwegeilend, erhielt Westerwelle viel Beifall.
Ein anregender Wirtschaftsabend, fand die Mehrheit
der Teilnehmer dieser IHK-Veranstaltung. J. Heinrich
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Liberalen-Treffen
am Rande eines Cottbuser IHK-Forums am Dienstag dieser Woche: Guido
Westerwelle mit Matthias Schulze, Fraktionsführer in der Stadtverordnetenversammlung,
Jens Lipsdorf, stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP, und
Jürgen Türk, Kreistagsabgeordneter
Foto: Hnr. |