Cottbus
(gg). Zum ersten Mal öffentlich und direkt trafen die beiden
Kandidaten um die Position des Cottbuser Oberbürgermeisters
am Donnerstag im Presse-Café DoppelDeck zum PolitPiano-Talk
aufeinander. Rund 130 Gäste verfolgten den Schlagabtausch
von SPD-Kandidat Frank Szymanski und dem Bündnis Cottbus!-Kandidaten
Holger Kelch zu Fragen der künftigen Stadtpolitik. Auf dem
Podium wechselte harmonische Stimmung zuweilen mit nervös-kämpferischer.
Die Antworten der Kandidaten auf die Fragen von Gabi Grube fasst
das folgende Interview in den wichtigsten Ausschnitten zusammen.
Herr Szymanski, Sie sind ein ehrgeiziger Mensch. Mit
welchen persönlichen Erwartungen und Karrierehoffnungen geben
Sie dem OB-Posten in Cottbus den Vorrang vor Ihrem Ministerposten?
F. Szymanski: Es ist die Aufgabe und die besondere Situation,
die mich reizt. Politisch habe ich in Cottbus begonnen und ich
habe eine Menge durch die Stadt bekommen, wovon ich ein wenig
auch zurückgeben will. Acht Jahre Landespolitik werde ich
als Erfahrung und in Kontakten mitbringen. Im letzten Moment war
es auch das Herz und die Überzeugung, dass ich das schaffen
kann.
Herr Kelch, wie viel Überzeugung hat es gekostet,
Sie für diese Aufgabe an der Stadtspitze zu gewinnen?
H. Kelch: Ich fühle mich immer noch mehr als Arbeiter
denn als Repräsentant. Es nützt auch nichts, wenn man
von einem Empfang zum nächsten geladen ist und nicht zur
eigentlichen Arbeit kommt. Ja, und es war nicht nur die CDU, sondern
das Bündnis Cottbus, das mich mit Vertrauen ausgestattet
und für diese Aufgabe gewonnen hat.
Herr Szymanski, was genau schätzen Sie an ihrem
Kontrahenten?
F. Szymanski: Holger Kelch hat nach der Wende die Verwaltungslaufbahn
eingeschlagen, sich noch mal auf die Schulbank gesetzt. Erfahrungen
und Kenntnisse, die ihn zu einem guten Beigeordneten machen. Das
kann ich mir im Übrigen für die Zeit nach der Wahl mit
ihm in meinem Team gut vorstellen.... (Publikum applaudiert)
Sie dürfen, Herr Kelch, ein Kompliment zurückgeben...
H. Kelch: Was ich an Frank Szymanski bewundere ist, dass
er rhetorisch beschlagen ist. Ein Punkt, der ihn zu einem guten
Repräsentanten macht, aber er ist wohl weniger ein Arbeiter.
Deshalb würde ich ihn lieber weiter im Infrastrukturministerium
sehen... (beide lachen!)
Welches sind jeweils die Kernthemen ihres Wahlkampfes?
F. Szymanski: Ein neues Miteinander aller Akteure, ein
neues Verständnis für unsere Stadt und Region und Ehrlichkeit,
was die finanzielle Lage der Stadt betrifft und gerade für
letzteres Lösungswege finden!
H. Kelch: Vertrauen schaffen in eine effizientere und bürgernahe
Verwaltung, die Finanzproblematik muss man lösen, Cottbus
ist nicht die einzige Stadt mit diesem drastischen Geld-Problem.
Und: Der Ruf der Stadt muss besser werden.
Wie hätten Sie beide in der Frage der Zukunft der
Sandower Oberschule am Mittwoch in der Stadtverordnetenversammlung
entschieden, wenn Sie abstimmungsberechtigt gewesen wären?
H. Kelch: Es war nicht genügend Zeit zur Diskussion
der inhaltlichen Fragen und deshalb hätte ich mich sehr schwer
getan mit der Entscheidung. Die Konzepte der Schule sind vorbildlich.
Ich hätte mich gegen die Vorlage entschieden, weil ich gegen
Schulkombinate bin.
F. Szymanski: Für mich erstaunlich, dass der Chef
der Verwaltung die Vorlagen seiner eigenen Verwaltung ablehnen
würde. Fakt ist, wir brauchen ein Schulkonzept mit langfristig
gesicherten Schulstandorten. Ich habe auch eine Schule mit 1 000
Schülern erfolgreich geführt, deshalb denke ich, wir
haben jetzt nur ein Problem in die Zukunft geschoben.
Mit welchen konkreten Schritten wollen Sie jeweils der
Wirtschaft in Cottbus zuerst entgegen kommen und wodurch sollen
Arbeitsplätze entstehen?
F. Szymanski: Ich würde ein Wirtschaftskompetenzteam
berufen, das die Stadtspitze berät und auch ein Feedback
gibt. Wir brauchen ein Unternehmer-Servicebüro mit Lotsenfunktion
in der Stadtverwaltung, das kurze Wege ermöglicht. Wir müssen
es außerdem schaffen, dass Forschungsergebnisse der Hochschulen
in die Produktion bei einheimischen Unternehmen kommen. Da will
ich zuerst anpacken. Auch städtische Gesellschaften müssen
nach Bilanzen bewertet werden. Wir müssen außerdem
das Problem des Fachkräftemangels jetzt in Angriff nehmen.
Die Global Player, wie BASF machen uns da schon richtige Beispiele
vor. Und wir sollten Bund und Land mehr in Verantwortung nehmen,
damit die Stadt auch wieder Investitionsaufträge auslösen
kann.
H. Kelch: Ich freue mich, dass Sie, Herr Szymanski, unser
Positionspapier so gründlich gelesen haben, denn das genau
ist unser Ansatz: Ein Wirtschaftsbeirat, EIN Ansprechpartner für
die Unternehmer im Rathaus. Aber wir brauchen auch Lobbyarbeit
in den Schlüssel-Branchen, wo viel Geld unterwegs ist. Unser
Vorteil, dass wir nahe an Polen liegen, ist noch zu wenig genutzt.
Herr Szymanski, Spree-Neiße Landrat Dieter Friese
lässt keine Zweifel daran, welcher Mann als Cottbuser OB
ihm lieber wäre, was aber raten Sie Holger Kelch für
den Fall seiner Wahl, wie er mit seinem Nachbarn die Gespräche
zur Zusammenarbeit führen soll?
F. Szymanski: Über Tipps reden wir, wenn die Wahl
vorbei ist. Aber drei Dinge: Die unterschiedlichen Interessen
der Körperschaften müssen abgewogen werden, aber natürlich
sind wir verpflichtet, über eine Zusammenarbeit zu reden.
Das Stadt- und Regionalmarketing und Tourismusförderung sind
Themen, die wir uns gemeinsam vornehmen müssen. Dazu ist
der Ausbau der Radwege in Cottbus ein erster Schlüssel. Außerdem
ist bereits das Schulentwicklungskonzept ein erster Erfolg der
Zusammenarbeit.
H. Kelch: Wenn der Landrat dem amtierenden OB einen Korb
gibt, dann frage ich mich schon: Muss das sein? Die gemeinsame
Rettungsleitstelle ist schließlich in guter Zusammenarbeit
unter anderem mit mir entstanden. Ich denke, in der Zusammenlegung
von Verwaltungseinheiten liegt noch Potenzial. Es fehlt außerdem
seit Jahren eine gute Verbindung von Cottbus zum mitteldeutschen
Raum.
Wo muss angesichts von 20 Millionen Euro jährlichem
Defizit der Gürtel in der Stadt enger geschnallt werden?
H. Kelch: Nicht für alle diese Schulden ist die Stadt
allein zuständig. 4,4 Millionen Euro muss die Stadt allein
2007 für Hartz IV-Empfänger ausgeben - eine Aufgabe,
die uns der Bund übertragen hat und wofür er auch in
Verantwortung zu nehmen ist. Außerdem: Nicht jedes Förderinstrument
ist sinnvoll: Die Bewirtschaftungskosten für geförderte
Bauten bleiben bei der Stadt und dafür gibt es dann keine
Hilfen. Lieber wäre mir: Weniger Fördertöpfe, dafür
bessere Grundausstattungen der Kommunen. Ein Teil, den wir selbst
in der Hand haben, ist noch der Verwaltungsumbau, aber hier wird
sich in den nächsten drei Jahren viel tun.
F. Szymanski: Das Fördersystem ist doch ein ganz anderes:
Das sind heute Mittel der EU und des Bundes, die vom Land kofinanziert
werden. Die Kommunen entscheiden selbst, ob sie sie in Anspruch
nehmen. Wir sind froh, dass es diese Möglichkeit gibt. Was
mich aber richtig sorgt, ist, dass Cottbus am Ende des Jahres
200 Millionen Schulden hat und das hieran nicht gearbeitet wird.
Ein Kassensturz muss her und Ideen, wie wir unsere Schulden zurückfahren.
H. Kelch: Daran wird gearbeitet. Es gab eine Haushaltsklausur,
die mit sehr schlechten Nachrichten aus Land und Bund umzugehen
hatte. Und auch wenn es deshalb keine Genehmigung für den
Haushalt in 2006 geben wird, es wird deshalb keine Einschnitte
geben bei freiwilligen Leistungen, die vertragliche Grundlagen
haben. Vorwürfe hierzu lasse ich mir nicht machen.
Cottbus hatte zuletzt überregional wenig gute Schlagzeilen.
Mit welcher Zeitungsüberschrift über diese Stadt möchten
Sie gern ein einem Jahr in Zusammenhang gebracht werden?
H. Kelch: Wie wärs mit: Cottbus schafft erstmals
wieder Bevölkerungszuwachs! Dahinter würden viele Erfolge
stecken, an denen ich arbeiten will.
F. Szymanski: Das halte ich für unrealistisch, aber
wünschenswert wäre: Studierendenzahl ist gewachsen und
es gibt viele Unternehmensgründungen. Das ist wohl objektiver.
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Ausgestattet
mit Lämpchen für den hellen Durchblick ließen die
Oberbürgermeister-Kandidaten Frank Szymanski und Holger Kelch
den ersten öffentlichen Duell-Abend im Presse-Café am
Donnerstag ausklingen. Beide nutzten die hohe Publikumsbeteiligung
für ausführliche Gespräche. Neben vielen programmatischen
Parallelen taten sich auch einige Differenzen auf. Beide konnten
für ihre jeweiligen Argumente ausgewogenen Beifall ernten
Foto: Jens Haberland |