aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Dem Unvermeidbaren stellen
Umweltwissenschaftler Prof. Hüttl hält nichts von Panik-Kampagnen /
Es ist fahrlässig zu suggerieren, Wohlverhalten könne Klimawandel verhindern

Cottbus (h.) DeutschlandsTrauma vom Waldsterben erfasste ihn nie. „Ich gehörte zu den Wenigen, die damals abwiegelten.“ Es gab Waldkrankheit im Erzgebirge, im Harz und lokal in Bayern. Da war Industrie außer Kontrolle, nicht aber Deutschlands Wald in Lebensgefahr.
Das Beispiel ist typisch für Hüttls Position: Auf Probleme einstellen, statt sie zu dramatisieren. Und man dürfe menschliches Tun oder Unterlassen nicht aus realistischen Relationen reißen. Kohlenstoffkreisläufe beeinflusst der Mensch mit seiner CO2-Belastung nur zu zwei (!) Prozent; alles andere sind natürliche Vorgänge. Der Wissenschaftler warnte am Donnerstag auf dem PolitPiano-Podium vor Irrlehren: „Zu erklären, wenn wir alles gut machen, würde sich das Klima nicht verändern, ist fahrlässig.“
Um die Frage nach der Klimaänderung ging es am rege besuchten Talk-Abend. Extremwetterlagen der letzten Wochen drängten zu solcher Erörterung. Prof. Hüttl, selbst vom Regenmangel vergrämter Hausgärtner („Angewandte Beobachtung ist durchaus hilfreich für den Wissenschaftler“), korrigierte landläufige Bertrachtung: Es gibt kein Niederschlagsdefizit, sondern nur verschobene Verteilung: weniger Sommerregen, mehr Niederschlag im Winter - so jedenfalls Messungen der BTU seit 15 Jahren.
Trotzdem: Klimawandel sei ein aktuelles Thema. „Wir sitzen 80 Meter über Kohle, haben dokumentierte Klimawechsel unter uns: Subtropische Zeiten sind zu Braunkohle erstarrt, am gleichem Ort gab es vor 10000 Jahren Eisberge. „Klimawechsel vollziehen sich innerhalb von Jahrzehnten, nicht von Jahrmillionen, wie mancher glaubt.“
Prof. Hüttl will nichts Vorbestimmtes aufhalten - „Natur lässt sich nicht lenken, was vielleicht sehr, sehr gut ist.“ - sondern erforscht, wie sich der Mensch auf Unvermeidbares einzustellen hat, zum Beispiel, unter extremeren Bedingungen schadlos zu leben. „Eine Prämisse heißt, was nicht in den Boden, das Wasser, die Luft gehört, soll dort auch nicht hinein“, sagt er. Sind Eingriffe aber nötig - was vorkommen kann - sind sie zu minimieren. Dass der Mensch vernünftig sein kann, zeige die Tatsache, „dass die Luft hier bei uns heute außerordentlich sauber ist im Vergleich zu anderen Kohleabbaugebieten.“

Hüttls Kernthema ist immer wieder der Wald. Hier wie auf Hawaii, wo er vorher war, stehen Reinwälder von nur einer Baumart. Der Mono-Kieferbestand war wirtschaftlich begründbar. Heute herrscht Holzüberfluss, Waldumbau wird fällig. Keine einfache Aufgabe, weil privater Wald bewirtschaftbar bleiben muss. Eichen und Linden will Hüttl zwischen den hiesigen Kiefern wachsen sehen, im Norden vorzugsweise Buchen. So entsteht grundwasserbildender Bestand. Aber natürlich erst in Jahrzehnten. - Immerhin beginne Nachdenken.

Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Hüttl  im Gespräch mit Gabi Grube.
Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Hüttl stammt aus Regensburg. Sein Vater war Forstfachmann, er selbst studierte dieses Fach in Freiburg, war in den USA und anderen Ländern tätig. Von Hawaii führte sein Weg 1993 nach Cottbus. Im BTU-Aufbau war er Prorektor und Vizepräsident, er ist Inhaber des Lehrstuhls für Bodenschutz und Rekultivierung
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