Cottbus
(h.) Die Stadtwerke hatten in den Händen ihres Alleingesellschafters
Stadt Cottbus nie Erfolgschancen. Sie dienten als Müllkippe
für alle defizitären Bereiche städtischer
Unternehmungen. Das fanden BWL-Studenten der Fachhochschule Lausitz
heraus, die sich wochenlang mit dem Buchwerk des Kommunalbetriebes
befassten. Das Abenteuer Heizkraftwerk mit weltweit nie erprobter
Technologie war eitle Torheit und irrwitzig für eine Firma,
die nur dieses eine Kraftwerk betreibt. Trotzdem schrieb das Unternehmen
2002 schwarze Zahlen. 18 Millionen D-Mark waren unter sonstige
Einnahmen gebucht.
Wir befragten Oberbürgermeisterin Karin Rätzel, seit
2002 Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke.
Woher kam überhaupt das Geld für solch
eine Investition, die keine Bank der Welt finanzieren würde?
K. RÄTZEL: Das haben sich die Investoren aus einem
Fonds geholt, den die Stadtwerke bedienen müssen (100 Mio.
DM, 16 Mio. jährliche Ausschüttung unabhängig vom
Betriebsergebnis, d.Red.). Die Stadt nutzt das HKW, es gehörte
ihr aber nie. Sie hat es bestellt und muss Kapitaldienst leisten.
Woher kamen die 18 Millionen für eine saubere
Bilanz?
K. RÄTZEL: Das war das gerichtlich verhandelte Pönale,
eine Schadenersatzleistung für die Nichtverfügbarkeit
des Heizkraftwerkes.
Kalkuliert war, dass das HKW 80 Prozent der installierten
Leistung liefert.
K. RÄTZEL: Ja, zu 62 Prozent reichte es aber nur.
Da stopfte das Geld ein Loch, das sich gleich neu
auftat.
K. RÄTZEL: Genau. 2003 war das Netzleasing nötig,
um die erwähnten Verträge für das HKW zu bedienen.
Außerdem wurden Kredite vorfristig getilgt.
Jetzt waren Sie schon verantwortlich. Haben Sie auch
auf das Prinzip Hoffnung gesetzt, wie Ihre Vorgänger?
K. RÄTZEL: Natürlich nicht! Mitte 2004, als es um
die Bilanz für 2003 ging, haben wir mit anerkannten Prüfern
die Vorschau besprochen und nochmals das Netzleasing diskutiert.
Meine Frage an Geschäftsführer Walter lautete: Was
wäre ohne dieses Leasing geschehen? Seine klare Antwort:
Der Wagen wäre an die Wand gefahren.
Ich habe daraufhin die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat
für 2003 nicht entlastet, bis heute nicht.
Die Wahrheit über das Siechtum der Stadtwerke
trat zutage, als die Teilprivatisierung vorbereitet wurde.
K. RÄTZEL: Ja, es gab über 30 Interessenten. Die
sprangen alle ab, nachdem sie Einsicht in die Fonds-Verträge
für das HKW genommen hatten.
Wie reagierten die Stadtverordneten?
K. RÄTZEL: Es gab im Februar 2005 einen Antrag der PDS-Fraktion,
die Privatisierung um zwölf Monate zu verschieben, weil sie
mit Teilen anderer Fraktionen neue Chancen für die Stadtwerke
sah.
Wann erahnten Sie den drohenden freien Fall?
K. RÄTZEL: Als Walter am 1. April 2005 weitere 6 Millionen
Euro Verlust meldete. Jetzt begannen intensive Verhandlungen mit
der Landesregierung, den Banken, dem Fonds.
Erst am 22.12.05 erreichten wir einen Durchbruch. Ich bin stolz
auf das Geleistete, denn wir haben hier unseren lokalen Berliner
Bankenskandal. Es ist meine Pflicht, die Bürger vor
Schaden zu schützen. Das gelingt auch. Die jüngsten
Gebührenerhöhungen waren auch ohne die hier geschilderten
Vorgänge unvermeidlich.
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Grundsteinlegungs-Prozedere
für das innovative Heizkraftwerk im Mai 1997.
Mit dem Postkutscher am Werk: Waldemar Kleinschmidt (CDU), damals
OB, Manfred Stolpe (SPD), damals Ministerpräsident, Stadtwerke-Geschäftsführer
Eberhard Walter. Der Ehrgeiz, nach der BuGa nochmals einen großen
Wurf zu wagen, unterdrückte jegliche unternehmerische Vernunft.
Die Folgen sind katastrophal
Foto: CGA-Archiv |