Cottbus
(gg). Auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Steffen Reiche
(SPD) war am Dienstag Dr. Gerhard Sabathil, Leiter der Vertretung
der Europäischen Kommission in Deutschland, in Cottbus. Im
Heinrich-Heine-Gymnasium diskutierten Schüler mit ihm über
Chancen, die Europa bietet. Für die GRÜNE Heimatzeitung
sprach Gabi Grube mit dem Diplomaten.
Welche Fragen haben Jugendliche zu Europa?
DR. G. Sabathil: Mir sind heute weniger Ängste begegnet;
dafür Fragen, die in die Zukunft gerichtet waren: Wie geht
es weiter mit der EU-Verfassung? Wann wird es eine weitere Erweiterung
Europas geben? Grenzen sind in den jugendlichen Köpfen beinahe
verschwunden. Das freut mich.
Sind auch Vorurteile verschwunden, nachdem die EU-Osterweiterung
zwei Jahre vorbei ist?
Dr. G. Sabathil: Viele Schreckensmeldungen aus der Zeit
vor dem 1.Mai 2004 von Firmenverlagerungen in Größenordnungen
bis hin zu Ladendiebstählen sind einfach nicht wahr geworden.
Sicherungsklauseln, die die EU dafür vorsorglich eingebaut
hatte, wurden nicht gebraucht.
Nimmt die Lausitz EU- Chance genügend wahr?
Dr. G. Sabathil: Das kann ich nicht in jeder Hinsicht abschätzen.
Fakt ist aber, dass die Entwicklung jenseits der Grenze deutlich
dynamischer verläuft. Hier gibt es enorme Wachstumsraten
in vielen Branchen. Leider wird die EU in Ostdeutschland oft nur
auf ihre Fördertöpfe reduziert.
Mit dem Wegfall von Beschränkungen für europäische
Arbeitnehmer wächst Konkurrenz am Arbeitsmarkt. Ist die Angst
berechtigt?
Dr. G. Sabathil: Die Polen fahren bis nach Irland, um arbeiten
zu können und auch rund 60 000 Deutsche sind schon jetzt
im österreichischen Fremdenverkehrsgewerbe beschäftigt.
Zu zwei Dritteln sind das Frauen. Nicht umsonst heißt 2006
das Jahr der Arbeitskräftemobilität. Europa bietet viele
Chancen, wenn man mobil, gut ausgebildet und sprachkundig ist.
Aber: Nur zwei Prozent aller Arbeitnehmer in ganz Europa müssen
im Ausland ihr Brot verdienen. Wenn im eigenen Land gut bezahlte
Arbeit da ist, wird überall diesen Jobs der Vorzug gegeben.
Wie werden Fördergelder ab 2013 verteilt?
Dr. G. Sabathil: Für Südbrandenburg, das aus
der Zone-I-Förderung ab 2007 herausfallen wird, sind großzügige
Übergangsfristen vereinbart, die es ermöglichen, trotzdem
Einiges auf den Weg zu bringen. Wie genau die Mittel ab 2013 verteilt
werden, wird bald das EU-Parlament beschäftigen.
Investitionen in dauerhafte Arbeitsplätze und die dafür
erforderliche Infrastruktur werden das Primat haben. Arbeitsplätze
sind wichtiger als Radwege.
Was wird sich unter deutscher EU-Rats-Präsidentschaft
ab 2007 auf den Weg bringen lassen?
Dr. G. Sabathil: Ich gehe davon aus, dass es einen neuen
Vorstoß zur EU-Verfassung geben wird. Ich bin für Gelassenheit
in der Diskussion: Amerika hat vor 200 Jahren auch 13 Jahre gebraucht,
bevor sich alle Staaten auf eine Verfassung einigten .
Danke für das Gespräch.
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Auf Einladung
des SPD-Bundestagsabgeordneten Steffen Reiche (r.) war Dr. Gerhard
Sabathil diese Woche auf Lausitz-Visite. Im Gespräch mit Cottbuser
Schülern erlebte er viel Offenheit für Europa-Ideen. Sabathil
ist seit 2004 Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission
in Deutschland und seit 1996 Gastprofessor an der Prager Universität.
Der Pforzheimer war in Oslo Botschafter der Europäischen Kommission
für Norwegen und Island, zuvor in Brüssel Referatsleiter
für die westlichen Balkanländer, Botschaftsrat der EU-Kommission
in Prag Foto:
D.K. |