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(h). 10. Mai 1999. Der Laubsdorfer angelte am Stausee, als abends
halb zehn der Handyruf kam: Wie gehts? - Ja ... wie immer.
- Keine akuten Infektionen? - Nein. - Dann schnell! Hier ist ein
Spenderherz.
Mit Blaulicht gings Richtung Berlin, ab Stadtrand eskortiert
von zwei Polizei-Tonis. Im Virchow-Krankenhaus stand das OP-Team
bereit, grün vermummt, große Gerätetechnik. Kurzes
Warten noch auf die letzte Abstimmung der Körperwerte mit
denen des Spenderorgans, dann eine Spritze in den Finger, bis
zehn zählen...
Nach zweieinhalb Tagen bin ich erwacht. Alles weiß.
Die Hölle, dacht ich, kann das nicht
sein. Dann ein Fenster, davor ein Baum. Das wirkte sehr
irdisch. Ich war wohl wieder geboren...
So hat René Barthel seine zweite Geburt in Erinnerung.
Er feiert diesen Mai seinen 7. Geburtstag und dann im Oktober
den anderen, den 40.
Das Schönste damals: Ich konnte wieder normal - so
oder sooo (er dreht geradezu genüsslich Kopf und Schulter)
- schlafen. Vorher saß ich fast jeden Tag 23 Stunden vorm
Fernseher, eine Stunde schlief ich im Sitzen. Liegen konnte
er nicht. Das Körperwasser drohte ihn zu erdrücken.
Wie eine Faust auf der Gurgel. Sein Herz hatte da
schon dreifache Größe und brachte nur noch zwölf
Prozent Leistung. Höchste Atemnot bei jedem Schritt. Bei
der Visite hier im Klinikum hatte mir Anfang 1997 eine Ärztin
ins Gesicht geworfen: Das Ende dieses Jahres erleben Sie nicht.
Ich dachte: Die meint nicht dich, denn damals fühlte
ich mich noch völlig gesund...
René Barthel, 1966 in Eberswalde geboren, kränkelte
eigentlich nie. Er ging zehn Jahre zur Schule, lernte dann Kfz-Schlosser,
absolvierte die Armeezeit, spielte Handball und traf bei einem
Sportlerfest unter den Laubsdorfer Handballerinnen seine große
Liebe. So geriet er in die Cottbuser Gegend, wo es auch für
ihn nach 1990 keine Arbeit mehr gab. Er jobte in Bochum und fing
sich im Frühjahr 1995 mal eine Grippe ein. Er ging zum Arzt
und half mit Hausrezepten nach. Krank feiern war nicht sein Ding.
Aber ein gefährlicher Virus blieb dabei unerkannt, setzte
sich am Herzmuskel fest und fraß...
Lange blieb der Defekt unerkannt, selbst bei einer gründlichen
radiologischen Untersuchung. Inzwischen arbeitete der Laubsdorfer
als Dachdecker und spielte Fußball. Es wurmte ihn, dass
kein Training anschlug. Ich blieb schlapp, und als ich eine
Rolle Dachpappe trug, wurde mir auf einmal ganz drieslich...
Danach kam die ärztliche Ermutigung. Das
reichte mir, ich ging auf eigene Verantwortung nach Hause.
Aber es war auch die Zeit, als der berühmte Herzchirurg Professor
Dr. Roland Hetzer häufig Gast der Cottbuser Herzklinik war,
und der Radiologie-Chefarzt des Thiem-Klinikums präsentierte
ihm seine Station. Der Professor interessierte sich für
mich und schlug mir einen Berlin-Termin vor. Nun begann
die Zeit des Wartens auf ein Spender-Organ. Ich fuhr alle
vier Wochen nach Berlin, fühlte mich erst nicht so krank,
aber ab Oktober 98 - einen Monat vorher war meine Tochter
geboren - gings dann bergab.
Kaum bewegungsfähig, saß René Barthel mit seinem
Handy mit Notruftaste allein daheim. Das bisschen Kraft
nahm ich zusammen für Letzte Runden. Ich verabschiedete
mich von Freunden und vom Leben.
Die Operation im Mai 1999 war dann ein Meisterwerk hervorragender
Mediziner, die Nachbetreuung funktionierte, die Krankenkasse (Barmer)
hat alles problemlos begleitet. René Barthel, heute - auch
wegen der 30 Pillen, die er täglich schluckt - ein Schwergewicht,
lebt wie ein Gesunder. Eigentlich sollte er viele Dinge nicht
essen, sollte bei Pollenflug nicht in den Wald gehen, nicht aufregen...
Aber Barthel ist kein folgsamer Patient. Angesichts der Diät-Liste
sagt er: wer so isst, kann ja nicht gesund sein. Er
lässt sichs schmecken, geht regelmäßig zum
Bowling, ließ sich sogar als Gemeindevertreter wählen.
Er versuchte es auch beim Fußball wieder im Tor. Aber das
brachte jede Menge blauer Flecken - Verweise auf die Medikamente
im Körper.
Andere Beschwerden kennt er nicht, auch keine Narbenschmerzen.
Sein Herz ist familiär überhaupt kein Thema.
Es geht alles, manches aber bis-chen langsamer - in meinem
Tempo eben. Am liebsten würde der Vollinvalide wieder arbeiten.
Vorerst aber tanzt er beim Karneval. Er spielt diesmal in Laubsdorf
den Schiedsrichter Hoyzer. Wie immer wird sein Puls
erst höher gehen, wenn die Anstrengung schon vorbei ist.
Das Herz erfährt nicht durch mein Gehirn, dass jetzt
Leistung gefragt ist, es ist ja nicht durch Nerven mit meinem
Körper verbunden. So legt es erst los, wenn Blutwerte sich
zu ändern beginnen. Das sei alles Gewöhnung.
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Ich
brauch gar nicht tanzen, die Leute biegen sich schon vor Lachen,
wenn ich nur im Tüllröck-chen auftrete, erzählt
der Laubsdorfer René Barthel (l.), hier mit Moderator Joachim
Rohde. Auch dieses Jahr hüpft der Hüne im Männerballett
und fängt verspätet an zu schwitzen. Sein implantiertes
fremdes Herz hat im Körper Kommunikationsprobleme,
aber es pumpt, als seis vom Elefanten... Foto:
Hnr. |