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Reiche(s) Ernte: Politik mit Abitur
Ex-Bildungsminister und Sozialdemokrat Reiche will Studierte im Parlament

Cottbus (gg). „Wer mit viel Intellekt für andere Politik machen will, sollte die Mühen eines Studiums auch nicht gescheut haben“, argumentiert der Brandenburger Ex-Bildungsminister, als er nach einer Quote für Arbeiter und Landwirte im Deutschen Bundestag gefragt wird. Die hält er für unnötig - Arbeiter aus der Lausitz im Bundestag sogar für irgendwie „ungünstig“. Im scheinbar gut studierten Besucherdurchschnitt des PolitPianos sorgt diese denkwürdige Bemerkung für weniger Aufsehen als man erwartet. Der arbeitslose Maurer, den mit 56 keiner mehr einstellt und der mit der dringenden Frage nach seiner Zukunft gekommen ist, allerdings grübelt sichtbar.
Auch die anwesenden Gymnasiasten halten sich selbst nicht mehr für die so diffamierte Zielgruppe. Auch wenn sie ihre schlechten Hörkompetenzen in der Publikumsrunde von dem vorgeworfen bekommen, der selbst für Bildung in diesem Lande zuständig war.
Steffen Reiche meint trotzdem, mit viel Kenntnis aus seiner Tätigkeit im Landtag, mit seiner Verbundenheit zur Industriegewerkschaft Bergbau und Energie genau für die Lausitzer Arbeitnehmer streiten zu können. Auch für gute Bedingungen auf dem Energiesektor, der hier Arbeitsplätze sichert. Ganz im Sinne seines Vorgängers, Wilfried Schreck. Dass er dafür auch im Wahlkreis wohnen sollte, überlegt er schon, will es aber erst umsetzen, wenn die eigenen drei Kinder aus der Schule sind.
Was die dort lernen, ist unvermeidbar Hauptthema des Abends, in dem heftig über Erfolge und Defizite in der Brandenburger Schulpolitik gestritten wird. Erste Erfolge im Pisa-Test erntete Reiche als späte Früchte erst nach Amtsende. Die Lehrerversetzungen aber verteidigt er freiwillig als seine Idee und als richtig. Verbittert über die verkannten Erfolge und Notwendigkeiten ist er nicht, dennoch der Ton gegenüber den Kontrahenten ist merklich schärfer geworden.
Der Ex-Pfarrer verteidigt sein teils deftiges Vokabular, bei dem christdemokratische Ideen für die Kopfpauschale „asozial“ heißen und bayerische Tendenzen gegen den Länderfinanzausgleich „bigott“ mit dem allgemein herrschenden schlech- ten Ton im Wahlkampf. Und er lässt sich nicht kleinkriegen:
180 Milliarden Schulden unter der siebenjährigen SPD-Regierung stünden viel bedenklicheren 680 Mrd. Schulden aus CDU-Zeiten gegenüber - dafür bekommt er Beifall. CDU-Politik müsse man sich leisten können, folgert er. Und er mahnt: Solange Krisen zu meistern waren, haben Deutsche erfolgreich auf die Sozialdemokratie gesetzt.


Jungenhaft und mit viel Standvermögen am Stehtisch des PolitPianos sah sich Steffen Reiche mit den Früchten seiner Bildungspolitik konfrontiert: Schüler fragten vehement nach, aber auch Hartz IV-Betroffene, die sich Korrekturen für mehr Gerechtigkeit wünschen Foto: T. Richter
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