Horst
Pettchick
Tel.: 4216 55
Karl-Heinz Ruhberg
Tel.: 42 52 46
03050 Cottbus
Weinbergstraße 8
Cottbus,
den O5. Dezember 2005
Stadtverwaltung
Cottbus
Frau Oberbürgermeisterin
Karin Rätzel
Neumarkt 5
03046 Cottbus
Sehr geehrte
Frau Oberbürgermeisterin,
am 29. November 2005 hatte der Bürgerverein Spremberger
Vorstadt zu einer Bürgerveranstaltung eingeladen. Im
Mittelpunkt standen dabei die Pläne der Gebäudewirtschaft
für die Wohnscheiben Görlitzer Straße und Weinbergstraße.
Der Geschäftsführer der GWC teilte kurz mit, dass die
Mehrzahl der Häuser abgerissen werden sollen. Erst auf Nachfragen
erfuhr man vage Andeutungen über Investoren, die Bürohochhäuser
errichten wollen. An einer Diskussion schienen weder er noch die
Vertreter des Bürgervereins interessiert zu sein.
Alle Teilnehmer der Veranstaltung, die sich trotzdem zu Wort meldeten,
sprachen sich gegen den Abriss aus und trugen dabei - nach unserer
Auffassung - kluge und stichhaltige Argumente vor.
Gestatten Sie uns, Frau Oberbürgermeisterin, dass wir Ihnen
unsere Bedenken zu diesem Vorhaben mitteilen. Dass wir dabei selbst
Betroffene sind, soll dabei nicht im Mittelpunkt stehen.
1. Diese
Wohngegend am Stadtring ist bei vielen Bürgern sehr beliebt.
Dass Wohnungen jetzt leer stehen, wurde einzig und alleine durch
die GWC verursacht, die es jahrelang versäumt hat, Rekonstruktionen
bzw. Werterhaltungsmaßnahmen durchzuführen und nun
die Gebäude absichtlich leer stehen lässt! Die Stadtverwaltung
hat dagegen nichts unternommen.
2.
Der Straßenzug mit seinen Wohnungen und Geschäften
prägt entscheidend das Stadtbild um den Bahnhof und vermittelt
dem ankommenden Reisenden einen ersten Eindruck von Cottbus.
Es ist noch gar nicht lange her, da waren die Stadtväter
sehr
stolz auf die Straße mit den begrünten Dächern.
Ein Abriss würde hier eine hässliche Lücke reißen
(und das im Jahr 850 des Bestehens der Stadt!), zumal keiner
so richtig weiß, was dort hingebaut werden soll und wie
es aussehen wird.
3. Die
Wohngegend am Stadtring ist für viele Bürger - vor
allem für ältere Menschen - sehr günstig. In
der Nähe befinden sich: Haltestellen aller Straßenbahn-
und einiger Buslinien, Einkaufsmöglichkeiten, medizinische
Einrichtungen sowie der Bahnhof, wo
auch Reisebusse halten. Alle Aufgänge haben Fahrstühle.
Das Stadtzentrum ist in 15 bis 20 Minuten zu Fuß zu erreichen.
So einen Wohn-Standort will man aufgeben? Und dadurch die Spremberger
Vorstadt - das Tor zur Stadt - bevölkerungsärmer
und
unattraktiver machen? Nur weil irgendjemand ein Bürohochhaus
hinsetzen will? Dafür gibt es in unmittelbarer Nähe
(z. B. Bahnhofstraße) genügend zentral gelegene und
günstige Standorte. Man muss nur suchen wollen. Oder verbergen
sich hinter den Plänen noch andere Interessen?
4.
Die Veranstaltung am 29. November hat deutlich gemacht, dass
die beabsichtigten Abrissarbeiten gegen den Willen der Einwohner
stattfinden würden. Für viele Menschen, besonders
für ältere (und in den Häusern leben viele betagte
Bürger) würden
sich die Lebensbedingungen und damit die Lebensqualität
wesentlich verschlechtern.
Und das ohne eine klar erkennbare zwingende Notwendigkeit. Zwar
stehen Senioren nicht unter gesetzlichem Schutz, wie das einst
war, man sollte sie aber nicht der Willkür angeblicher
ökonomischer Zwänge aussetzen. Daran dürfte wohl
niemand interessiert sein.
5.
Der allgemeine Trend geht dahin - so belegen es Untersuchungen,
die man in vielen Publikationen nachlesen kann - dass Menschen
verstärkt in das Innere einer Stadt ziehen wollen. In Cottbus
will man aber genau das Gegenteil praktizieren. Das ist ein
fataler Fehler, der sich negativ auf die Stadtentwicklung auswirken
wird.
Es muss doch möglich sein, im Kern gut erhaltene Häuser,
die erst 1981 bzw. 1983 gebaut wurden, zu sanieren und so Wohnraum
im Inneren der Stadt zu erhalten. Man kann sich doch nicht mit
der Bemerkung des GWC-Geschäftsführers abfinden, dass
jetzt nur noch in Ausnahmefällen rekonstruiert wird. Das
heißt nichts anderes, als Fehler der Vergangenheit nicht
zu korrigieren, weil es angeblich zu spät dafür sei,
sondern die Bürger darunter leiden zu lassen.
6.
Wenn Häuser abgerissen werden, müssen genügend
andere geeignete Wohnungen zur
Verfügung stehen. (Anzahl der Zimmer, Quadratmeter, Grundriss.)
Genau so wichtig ist es, den Bürger - wenn sie es wünschen
- Wohnraum im selben Umfeld anzubieten; denn im Laufe von Jahren
oder Jahrzehnten haben sich feste soziale Beziehungen der
verschiedensten Art (bis hin zur gesundheitlichen Betreuung)
in der Wohngegend herausgebildet. Gerade ältere Personen
sind auf diese Verflechtungen angewiesen, zumal es Bürger
gibt, die diese Wohngegend bewusst gewählt haben. Sind
solche
Wohnungen nicht vorhanden, kann man Bestehendes nicht abreißen.
Mieter gegen ihren Willen aus dem gewohnten Milieu zu reißen,
käme einem Zwangsumzug" gleich. Das ist nicht
human. In unserem Staat widersprechen solche Praktiken den Prinzipien
der Demokratie. Die Versammlung am 29.11. hat gezeigt, dass
es in dieser Hinsicht ernste Probleme gibt.
Wir bitten
Sie, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, zu veranlassen,
dass sich die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung und - falls
es erforderlich ist - auch die Stadtverordnetenversammlung mit
dieser Problematik im Interesse einer gut durchdachten Stadtgestaltung
und zufriedener Bürger gründlich beschäftigen.
Denn schließlich sollte niemand am Willen seiner Bürger
vorbei regieren.
Für Ihre Bemühungen bedanken wir uns im Voraus sehr
herzlich.
Mit freundlichen
Grüssen
Horst
Petschick, Karl-Heinz Ruhberg
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