Cottbus/Forst
(h). Starke Symbole bedeuten ihm viel, und so war Hans-Jochen
Vogel tiefbewegt von einem Erlebnis an der Neiße. An der
bis heute zerstörten Langen Brücke legten er, sein weit
jüngerer Freund und Bundestagskandidat Steffen Reiche und
andere Menschen weiße Rosen aufs Wasser - genau 66 Jahre
nach dem Ausbruch des II. Weltkrieges. Die Weiße Rose
steht für den Widerstand junger Menschen gegen Diktatur,
für Frieden schlechthin. Ich wünschte mir, dass es Tradition
würde, sich am 1. September so zu erinnern, sagte der
Repräsentant einer großen Politikergeneration, für
die auch Namen wie Brandt, Schmidt und Wehner oder in anderen
Parteien Erhard, Kohl und Genscher stehen.
Im PolitPiano stellte sich Vogel den Fragen von Gabi Grube und
Denis Kettlitz, erzählte von eigener Kindheit im Spannungsfeld
zwischen Hitlerjugend und Messdienerpflichten. Wir wussten
nicht, dass man Widerstand leisten kann, ja, leisten muss.
Aus reicher Erfahrung in wichtigen politischen Funktionen und
Ämtern schöpft seine Einsicht, dass der Mensch ohne
Werte nicht leben kann. Sein Buch Politik und Anstand
ist kürzlich erschienen. Familiär zehrend aus der
natürlichen Opposition zu seinem jüngeren Bruder
Bernhard (CDU, viele Jahre Ministerpräsident Thüringens)
war ihm fairer Umgang mit Gegnern stets wichtig.
Schwere Anfänge, so wie nach 1945 oder im Osten nach 1990
weiß Vogel gut in sein Lebensbild zu betten. Man müsse
würdigen, was geschafft wurde, aber der Begriff Dankbarkeit
sei in Deutschland zum Fremdwort geworden. Vor allem sei er selbst
dankbar, dass länger als je zuvor Frieden herrscht. Daran
macht er auch seine Position zu Noch-Kanzler Schröder fest.
Im Irak-Konflikt war der standhaft. Der Kanzler-Weg zu vorgezogenen
Wahlen war die am wenigsten schädliche von mehreren
schlechten Möglichkeiten, führt Vogel aus. Man
habe, so seine Kritik an der jetzigen SPD, den Menschen nicht
geduldig genug den Weg erklärt. Falls die Union die Wahl
gewinne, dann müsse das wohl sein; aber sie könne nur
mit noch tieferen Einschnitten für die Menschen vorn liegen
- derart tiefen, wie sie mit der SPD eben nicht zu machen sind.
Von einem Spaltungsszenario der SPD will Vogel nichts wissen.
Es gebe keine neue SPD-Linke. Es gibt die PDS, die ein paar
Gastplätze für die Bundestagswahl freigemacht hat.
Ein Saarländer, an dessen Namen ich mich nicht erinnere,
hat sich dort angedient. Gut gehe das nicht, weil besagter Saarländer,
der das Amt eines SPD-Vorsitzenden weggeschmissen hat, niemals
eine fremde Meinung in seiner Nähe duldet.
Vogel glaubt (bis zum 18. September abends) an einen
SPD-Erfolg, den er vor allem Steffen Reiche wünscht. Den
habe er schon 1989 in Bonn getroffen. Der junge Pfarrer und SDP-Gründer
aus dem Osten kam zu ihm dem damaligem SPD-Vorsitzenden. - Auch
einer von den schweren Anfängen, die verbinden.
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Im guter sommerlicher
Abendstimmung hielt es Hans-Jochen Vogel am Donnerstag nicht auf
dem Podium. Zur üblichen Publikumsrunde ging er
mit seinen Antworten direkt an die Tische. Zum Schluss bestellte
er sich ein Radeberger |