Konstruktiv und logisch,
kostenoptimiert und abrechenbar - so denken Ingenieure und so
arbeiten sie auch in Regierung und Opposition, wenn sie dorthin
gewählt werden. Das war jedenfalls bei Bauingenieur Jürgen
Türk aus Kolkwitz so. Als er 1990 für die FDP in den
Bundestag zog, war er erst ein knappes Jahr Liberaler und gerade
dabei, sich mit seinen ingenieurtechnischen Fähigkeiten selbständig
zu machen. Hinter dem geborenen Wildenhainer mit Maurerlehre lagen
bereits praxisreiche Jahre mit Erfahrungen beim Landbau mit dem
Stress eines Nebenbeistudiums, Auslandsjahren an der
Trasse oder bei der Vorbereitungsplanung für den Bergbau.
Für höhere Ämter hat er sich wegen zu wenig Parteinähe
nicht empfohlen. Erst als 1989 aus dem vermeintlich pluralistischen
Blockparteien-Konzert eines mit wirklichen Tönen wurde, stieg
er ein. Liberale Cottbuser wie Christian Rink, Alfred Pracht oder
Horst Luttert hatten ihn ermutigt. Seinen ersten Wahlkampf unterstützten
Größen wie Hans-Dietrich Genscher oder Otto Graf Lambsdorff,
und damals erntete die FDP fast 10 Prozent und zwei Brandenburger
Mandate. Heute ist die Euphorie mancherlei Einsichten gewichen.
Es folgten 10 Jahre in Bonn, davon acht in Regierungsverantwortung,
später fünf Jahre Berlin. Dass er jedes Mal wieder ein
Votum seiner Wähler bekam, liegt, so denkt er heute, an den
Erfolgen der Regierungszeit: Verkehrswegeplanbeschleunigungsgesetz,
mehr Investitionszulagen, das Datschengesetz, eine eindeutige
Schwerpunktsetzung auf den Aufbau Ost und auch die BuGa 1995 -
das trug in Südbrandenburg Früchte.
Schwerer wurde die Arbeit aus der Oppositionsbank. Auch wenn viele
Vorlagen und Ideen erst abgeblockt, später doch kopiert und
durchgesetzt wurden - er arrangiert sich auch damit im Sinne der
Sache. Es zählt das Erreichte für die Region, auch wenn
nicht alles immer logisch ist für Ingenieur-Denker. Die Forschungsmittel
für das CO2-freie Kraftwerk in Schwarze Pumpe kommen zum
Beispiel so zustande. Heute ärgert ihn schon ein bisschen,
dass seine Wahl zum Abgeordneten mit dem schönsten
Bart 1996 mehr Presseecho einbrachte als die Anstrengungen
in der Arbeitsgruppe Neue Bundesländer. Meist kommt
nichts bei raus, wenn man Spaß übertreibt, sagt
er mit Blick auf das Projekt 18 seiner Partei. Und
er hofft, dass der einzige FDP-Mann aus Brandenburg in Berlin,
Horst Lanfermann, dran bleibt an Fragen wie der Grenzlandförderung,
den Investitionen in Hochschulen oder dem Infrastrukturausbau
nach Sachsen und Polen.
Dabei hat ihm die Arbeit selbst immer den nötigen Spaß
gemacht in Bonn und Berlin. Ein Stück dieser Begeisterung
konnte er regelmäßig in seine Heimatgemeinde tragen,
seit er vor 12 Jahren das Oktoberfest aus der Taufe hob. Das Wunder
der Einheit zu feiern, das durfte bei allen Problemen nicht vergessen
werden, sagt er auch heute noch, während er seine Papiere
für die letzte Sitzung im Reichstag ordnet. In der Arbeitsgemeinschaft
Kommunales wird er weiterarbeiten - das passt zu seinem
Kreistagsmandat, das er seit 2003 ausfüllt.
Zwei Jahre vor seinem 60. hat er nämlich wieder neue Pläne:
Er will der Entbürokratisierer in Forst werden, will die
gute Sache der Fusion von Stadt und Landkreis nicht kampflos aufgeben,
will Unternehmern und Gründern helfen, Arbeitsplätze
zu schaffen. Letzteres auch wieder mit eigenem Büro.
Und der Naturbursche, der seine Kindheit am Röder-Fluss bei
Riesa verbrachte, weiß noch nicht genau, ob jetzt mehr Zeit
ist für die Enkel Niklas und Jonas, Hund Max, den Garten
und die große Wiese am Ströbitzer Landgraben. Aber
er weiß: Da wird er auch gebraucht.
Gabi Grube
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Das erste Freibier bei der Oktoberfestpremiere vor 12 Jahren zapfte
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aus Berlin nach 15 Jahren Bundestag |