aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH
Hünen und Zwerge
Der Glasfabrikant Ulrich Fey aus Ruhland/Kleinkoschen ist ambitionierter Präsident der IHK
„Leute, die nichts haben, müssen kleine Zeitfenster nutzen, und die öffnen sich immer in Umbrüchen.“
Auch für Ulrich Fey gab es dieses Zeitfenster. Er, der in der Forster Sportschule als Turner der „Zwerg“ neben den Hünen aus der Leichtathletik war, später Chemie studiert und im Synthesewerk als („kleiner“, wie er sagt) Betriebsleiter gearbeitet und sich 1982 mit dem Vertrieb von goldbepinselten Barockbilderrahmen aus Gips selbständig gemacht hatte, besaß eigentlich nichts, als die Wende „das Fenster„ öffnete. Als Vertreter ging er klinkenputzen bei Unternehmen und fand bald Partner und seine Chance. Vier Millionen wert war der Sparkasse die Geschäftsidee des „Zwerges“, der auf die Seite der Hünen wollte. Inzwischen läuft die Glasproduktion in Kleinkoschen (Isolierglas für jeglichen Bedarf) mit 30 Beschäftigten, zweites Standbein (nach fünf Zuschußjahren in Schwarzen Zahlen) ist die Solartechnik.
Ulrich Fey ist ein Mittelständler fürs ostdeutsche Schaufenster: angetreten quasi als Überzeugungstäter, zielstrebig, mit enormem Selbstvertrauen, ehrlich. Ohne Umschweife sagt er: „Als ich 1992 anfing, wußte ich gar nicht, was die IHK zu tun hätte. Alle Anträge habe ich selbst geschrieben.“
Nun ist er Präsident dieser IHK, will sie aus dieser Anonymität heraustreiben, will in diesem Gemisch von wirtschaftlichen Hünen und Zwergen „Beziehungsgeflechte“ schaffen, will „Unternehmerkultur, Sitte, Anstand und Moral“ verbreiten helfen. „Mir gefällt nicht, wie manche Unternehmer mit Mitarbeitern umspringen. Unternehmertum verpflichtet.“ Aber es bringt ihn auch in Rage, wenn Leute träge rumstehen, Lehrlinge gar, wenn der Chef kommt. Überhaupt der Nachwuchs! Ein Schlüsselproblem für den ambitionierten Präsidenten, der außer der vornehmen Anrede, die ein bißchen die Eitelkeit bedient, nichts hat vom Ehrenamt, nicht mal Trennungsgeld. Er freut sich, wenn Schulklassen sein Werk besichtigen. „Sie könnten öfter kommen, ich würde auch in die Schule gehen, wenn man das will“, sagt er. Es ist sein Glaube an die Chance, die Zwergen immer bleibt. Für Lehrer, die Wirtschaft-Arbeit-Technik unterrichten, hat die IHK jetzt ein Stoff-Kompendium herausgegeben. Man muß etwas tun, sagt Fey, nicht abwinken.
Jetzt reist er. 48 Mitglieder hat die Vollversammlung der IHK, der er vorsteht. „Ich möchte sie möglichst alle als Persönlichkeiten kennenlernen, dort, wo sie ihren Job machen.“
Der Präsident diskutiert noch lange nach dem letzten Klavier-Akkord. Für IHK-Ideen.

Hintergrund:
Die Geschichte der Industrie- und Handelskammern - heute Selbstverwaltungs-Körperschaften des öffentlichen Rechts - reicht bis ins Mittelalter. Zusammenschlüsse von Kaufleuten gab es schon im 17. Jahrhundert in Frankreich. Kammern im heutigen Sinne gibt es ab 1820. Die IHK fördert die gewerbliche Wirtschaft, berät in deren Sinne die Behörden, unterstützt die Berufsausbildung und stellt Zeugnisse aus.
Heute gibt es 82 Kammern in Deutschland. Die Cottbuser entstand 1852, wobei bedeutende Fabrikanten das Präsidentenamt führten. Von 1945 bis 1953 wurde der südbrandenburgische Wirtschaftsraum von der Provinzkammer in Potsdam betreut; nach der Bezirksbildung entstanden in der DDR die IHK-Bezirksdirektionen. Nachdem sich ab 1972 durch Enteignungen der Begriff „Industrie“ erübrigte, gab es ab 1983 Handels- und Gewerbekammern. - 1990 etablierte sich die IHK so wie in ganz Deutschland und bemühte sich Neu- und Wiedergründungen zu unterstützen. Erster Präsident der Nach-Wende war der Tuchhändler und frühere Fabrikant Heinz Herfarth. Heute gehören zur IHK Cottbus 36 500 Unternehmen; 47 % sind von Beiträgen freigestellt.

Nach 152-jähriger IHK-Geschichte wurde Ulrich Fey aus Ruhland 2003 der 22. Präsident der Kammer. Als Fabrikant steht er in der Tradition so bedeutender Tuchindustrieller wie Ludwig Ephraim, Alexander Lewin oder Hans Kehrl (1914-1943)

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König Friedrich Wilhelm IV. genehmigte der Stadt 1851 nach fast zehnjährigem Bemühen des Magistrats die Errichtung einer Handelskammer für „Handel- und Gewerbetreibende, welche in der Steuerklasse der Kaufleute Gewerbesteuer entrichten“


Mirko Schubert mit Blues am 118-jährigen Salonflügel aus der Pianofabrik Forst
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