Cottbus
(gg). In Mumbai (früher Bombay) in Indien trafen sich vor wenigen
Tagen 120 000 Menschen aus der ganzen Welt zum 4. Weltsozialforum.
Jenseits von Partei-Interessen ging es um neue Demokratieformen,
um Fundamentalismus und die zunehmende Globalisierung. Erwartungsgemäß
prallen dabei unterschiedlichste Lebenshorizonte aufeinander. Mit
einem der rund 70 deutschen Teilnehmer, Dr. Andreas Trunschke,
sprach Gabi Grube nach seiner Rückkehr.
Ganz frei von Politikern blieb das Weltsozialforum
nicht, wie man an Ihrem Beispiel sieht.
A. Trunschke: Einige deutsche Teilnehmer waren von parteinahen
Stiftungen delegiert. Ich zum Beispiel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung,
die der PDS nahe steht. Von dort wird die Reise auch finanziert.
Andere Deutsche kamen im Auftrag von Organisationen wie attac, den
Gewerkschaften, dem BUND oder den Kirchen. Ähnliches dürfte
für alle Teilneh-merländer gelten. Naturgemäß
waren die meisten Besucher aus Indien und dort aus den untersten
Schichten, den "Dalits". Und darin lag die große
Schere innerhalb des Treffens. Bunte, zornige und Grundsätze
berührende Protestkundgebungen standen sehr differenzierenden
Workshops der Industrienationen und Eliten aus Asien und Lateinamerika
gegenüber. In diesem Spannungsfeld gab es sehr nachdenklich
stimmende Begegnungen.
Wie beurteilen Sie in diesem Kontext die Tauglichkeit
europäischer Demokratien?
A. Trunschke: In Deutschland und Europa ist die Demokratie vor
allem um Akzeptanz bemüht. Da geht es darum, Bürgern begreiflich
zu machen, daß Geld gespart werden muß und sie in diesen
Prozeß einzubeziehen. In weiten Teilen der Welt fordern die
Menschen aber immer noch so einfache Dinge, wie die Beachtung der
Würde des Menschen. Analphabeten sind vor Verwaltungsapparaten
Bittsteller ohne Rechte. Soweit zu den großen Gegensätzen.
Und dennoch mußte ich feststellen, daß Deutschland in
Sachen beteiligender Demokratie noch Entwicklungsland ist. Denn
mehr als die Mitsprache über Bürgerhaushalte wird nicht
diskutiert. In Brasilien bilden sich bereits Netzwerke unter Kommunen,
die mehr als den Bürgerhaushalt im Blick haben, ebenso in Frankreich
und Neuseeland. Selbst in China beobachtet man unterhalb der Regierung
so etwas wie eine zweite Mitbestimmungsebene. Deutschland hat da
mit sechs Pilotstädten für den Bürgerhaushalt noch
nicht viel zu bieten.
Was also hat Ihnen der Austausch in Mumbai vor allem
gebracht?
A. Trunschke: Zu allererst eine gewisse Gelassenheit gegenüber
unseren Problemen. Wer schon einmal in Indien war weiß, daß
man mit viel Elend konfrontiert wird. Die Schriftstellerin Arundati
Roy trifft wahrscheinlich den Kern der Sache, wenn sie sagt, wir
befinden uns in einem neuen Krieg - nämlich dem für Gerechtigkeit
und Überleben. Andererseits habe ich den unbedingten Antrieb
bekommen, die Dis-kussion um den Bürgerhaushalt auch in unserer
Region voranzutreiben. Im März gibt es dazu ja Gelegenheit
.
Danke für das Gespräch. |
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