Am
Tage der Maueröffnung saß ich deprimiert zu Hause. Mir
war klar, daß es die DDR nicht mehr geben würde. Ich
habe es mir immer anders gewünscht, gab Sahra Wagenknecht,
Vorsitzende der Kommunistischen Plattform (KPF) innerhalb der PDS,
freimütig zu. Die im thüringischen Jena geborene und in
Berlin-Marzahn aufgewachsene Jungkommunistin wollte den zweiten
deutschen Staat reformieren, aber nie an das Alt-Bundesgebiet anschließen.
Deshalb entschied sie sich, auch nach 1990 politisch aktiv zu bleiben,
denn ich hatte immer das Bedürfnis, etwas gegen die heutigen
Strukturen zu unternehmen. Nur um die kapitalistischen Lügen
und Mythen widerlegen zu können, hängte sie noch
ein Studium der Volkswirtschaftslehre an und schreibt derzeit an
ihrer Dissertation. Gegen die Gesundheitsreform einer Ulla Schmidt
wettert sie heftig, da nur umverteilt, aber nichts eingespart wird.
Wenn 500 000 Leute vor dem Reichstag protestiert hätten,
wäre die Reform so nicht beschlossen worden, appeliert
sie an das vorrangig seniore Publikum. Ein weiteres Stopzeichen
sollte der neoliberalen Politik der Schröder-Regierung gesetzt
werden. Der Hammer liegt doch darin, daß in Deutschland
300 Milliarden Euro in Privatvermögen angehäuft liegen,
aber nur 20 Milliarden Euro pro Jahr für Sozialausgaben verwendet
werden, so Wagenknecht. Für sie existiert hierzulande
keine Leistungsgesellschaft, stattdessen eine Mißachtung von
Leistungen. Denn es kann doch nicht wahr sein, daß Menschen
unter Druck gesetzt werden, sich nicht vorhandene Arbeit zu suchen.
Den Kapitalismus hält die Jungkommunistin für kaum reformierbar.
Zwar könne man ihm Zugeständnisse abzwingen, doch längerfristig
führt Kapitalismus in den Abgrund. Genau dorthin, wohin
ihrer Meinung nach auch die EU-Osterweiterung führt: Was
nach der Wende in Ostdeutschland praktiziert wurde, wird jetzt in
einem viel größeren Maßstab wiederholt. Der Westen
erschließt sich riesige Märkte, jedoch unter einem brutalen
Verdrängungskampf. Trotzdem oder gerade deshalb will
sie am 13. Juni ins Parlament nach Brüssel gewählt werden.
Mindestens genauso brutal wird die PDS in zwei Landesregierungen
in Anspruch genommen - in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Zwar
sei die Landespolitik mit der Bundespolitik nicht zu vergleichen,
doch ist es ein Unding, daß die PDS desaströse
Sozialkürzungen mitmacht, so Wagenknecht. Ihre Partei
sei voll auf die SPD hereingefallen, die mit der PDS-Regierungsbeteiligung
eine starke Opposition verhinderte. Eine neue Linkspartei
aus SPD-Abweichlern sei deshalb auch für sie vorstellbar,
jedoch nur in enger Zusammenarbeit mit der PDS.
Hintergrund:
Die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) ging aus der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands (SED) Ende 1989 hervor. Gleichzeitig
wurde innerhalb der Partei die Kommunistische Plattform (KPF) ins
Leben gerufen, deren Vorsitzende Sahra Wagenknecht ist. Die Kommunistische
Plattform in der PDS versteht sich als offener tätiger Zusammenschluß
von Kommunisten, die auf der Grundlage von Programm und Statut der
Partei aktiv an der Basis und in Parteistrukturen wirken. Die Bewahrung
und Weiterentwicklung marxistischen Gedankenguts ist ein wesentliches
Anliegen der KPF. Die Plattform tritt sowohl für kurz- und
mittelfristig angestrebte Verbesserungen im Interesse der Nicht-
und wenig Besitzenden innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft
ein. Der Sozialismus gilt als Ziel der gesellschaftlichen Veränderungen.
Antifaschismus und Antirassismus sind für die Kommunistische
Plattform der PDS ein strategisches politisches Anliegen. Sie wendet
sich gegen jegliche Art von Antikommunismus, von wem er auch ausgehen
mag. Die KPF arbeitet aktiv mit der Deutschen Kommunistischen Partei
(DKP) und mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen.
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Wünschte sich zum 18. Geburtstag die 42-bändige Gesamtausgabe
der Werke von
Karl Marx und liest heute das Handelsblatt
aus Argumantationsgründen:
Sahra Wagenknecht (l.) im Gespräch mit Moderatorin Gabi Grube.
Marx hält sie
heute noch für hoch aktuell, wenn es um Alternativen zur Schröder-Politik
geht
Diesmal im DoppelDeck mit ihrem
politischen und stacheligen
Kaktus- Song zu Gast: das Künstlerduo Karow &
Panzer, bestehend aus Sänger Torsten Karow und Pianisten Ilja
Panzer |