Cottbus.
Mit deutsch-rheinischem RBB-Stadthallenkarneval zeitgleich setzte
sich das Theater die Masken zum venezianischen Carnevale auf. Dort
am Berliner Platz Jux und Tollerei, hier schmeichelnde Musik, Liebeleien
und amouröse Verwechslungen. Täglich außer Montag
rauscht die Nacht in Venedig durch alle Foyers und über
die Bühne, und weil die staubige Strauss-Operette allein doch
ziemlich mühsame Kost werden kann (man siehts den Gesichtern
des Publikums zu Beginn der Pause an), gibt es reichlich Ermunterungen
drumrum. Der Musentempel mutiert zum Palazzo de Carnevale mit Kanal,
Gondeln und Brücke davor. Eine Stunde schon vor dem Spiel unterhalten
Figurinen der Commedia dellArte, Wahrsagerinnen oder Geschichtenerzähler
in den Foyers, heißblütige Edelmänner fechten um
eine Gräfin (Regie für dieses Rahmenprogramm mit Tänzern
und Schauspielern hat Bettina Jahnke), und schließlich gibts
vor der Vorstellung noch einen Lehrgang des Klatschens - ein Kabinettstück
von Michael Apel, in das sich das Publikum gern verwickeln läßt.
Dann ein wenig Enttäuschung; Venedigs Leben ist farblos ausgestattet,
pastell und grau alles, selbst die vielen Tauben, die überall
im Theater verteilt sind. Nur als es Makkaroni regnet wirds
kurz bunter, sonst immer wieder fade Farben und wenig Schwung.
Das Temperament der Walzer und Märsche wird für den zweiten
Teil aufgespart, damit dann dort auch die Farben, die Figuren und
die Stimmen explodieren können. Der Kunstgriff, einen sanften
dramaturgischen Hügel zu einem hohen künstlerischen Gipfel
zu machen, besteht also darin, den Betrachter in ein tiefes Tal
zu versenken, wo sich das Publikum tatsächlich in des Stückes
Mitte befindet. Martin Schüler, Regie, Gundula Martin und Susanne
Suhr (Bild und Kostüme) und Judith Kubitz (musikalische Leitung)
haben das so gewollt und bringen von nun an das Stück mit viel
Turbulenz und schönen Einfällen zum furiosen Ende. Manches
jedoch bleibt sehr preußisch-perfektionistisch, wie die Videoeinspielungen
in goldenem Rahmen, bei dessen Würde sich Sinnes-taumel ganz
verbietet. Dennoch: Ganz ungeniert alles
maskiert - wo Spaß und Tollheit und Lust regiert, heißt
es, und die Verirrungen, Fast-Fehltritte und kleinen Kungeleien
nehmen ihren witzigen Lauf. Gesanglich brilliert vor allem Gesine
Forberger, die sich als Fischerstochter ins Zentrum der Handlung
bringt, Jens-Klaus Wilde, hier etwas zurückhaltend wirkend,
singt die anspruchsvolle Partie des Herzogs von Urbino, Dirk Kleinke
ist ein umwerfend natürlich-witziger Makkaronikoch, Cornelia
Zink eine nicht zimperliche Zofe. Die Herren Senatoren sind mit
den Schauspielern Wolfgang Kaul, Thomas Harms und Wolf-Dieter Lingk
ausreichend tölpelhaft besetzt und überlassen das Singen
ihren Gamahlinnen Tanja Conrad, Carola Fischer und Gabriele Lohmar.
Die Fischer als Agricola treibts toll mit ihrer Direktheit:
So ängstlich sind wir nicht...! und hat bald die
Schadenfreudigen dieser Nacht auf ihrer Seite.
Während die heimischen Narren noch kurz ausruhen, um zum Rosenmontag
dann auf ihre Bühnen zu klettern, bleibt der Theater-Carnevale
bis Fastnacht in Schwung. Beim Umzug am 22. Februar vereinen sich
beide Sparten zum venezianischen Lausitz-Carnevale. J.H. |
Originelle Einfälle wie die goldgerahmte Videowand hinter
der sanft über Bühnennebel dahingleitenden Gondel entspringen
eher preußischem Ordnungssinn als venezianischer Turbulenz.
Szene mit Jens Golbs als Gondoliere, Heike Walter als Centurio sitzend
und Jens Klaus Wilde als Herzog von Urbino Foto: Marlies
Kross |