Cottbus
(h) Kaum zu glauben: Die (Energie-) Fußballbegeisterung brodelt,
aber Brandenburgs Kickern gehen die Knaben aus! Das ist eine der
Sorgen von Landesverbands-Präsident Siegfried Kirschen, der
zu Wochenanfang prominentester Gast eines Schiedsrichter-Quartetts
auf dem Sport-Mix-Podium bei Joachim Rohde war.
Kirschen war 17 Jahre FIFA-Schiedsrichter (einer von sieben aus
der DDR), kam 1990 gerade von der WM aus Italien zurück, als
daheim die Bezirksfachausschüsse bröckelten und ein neuer
Fußball-Landesverband seinen Präsidenten suchte. Aus
meiner internationalen Laufbahn kannte ich etwas die Strukturen
des DFB, und so fiel die Wahl auf mich, erklärt der handelsreisende
Pharmazie-Fachreferent. Damals wie heute gilt für ihn der Grundsatz:
Es gibt immer zwei Möglichkeiten - entweder auf strukturgebende
Politik zu warten, oder selbst handeln. Der Fußball
braucht entschlossene Leute im Sinne seines Spielbetriebs, auch
hier im Niederlausitz-Kreis. Die Nachwuchssorgen resultieren aus
den geburtenschwachen Jahrgängen. Manche Kreise finden in bestimmten
Altersklassen zur Spielunion. Die Jugendobleute der Kreise
suchen mit den Vereinen nach Lösungen, weiß der
Präsident. Doch in wenigen Jahren wird die Jahrgangsschwäche
im Männerbereich ankommen...
Dennoch: Fußball bleibt attraktiv, sowieso mit Blick auf die
WM 2006. Auf dem Wege dahin soll in den Vereinen viel geschehen.
Zum Beispiel wünscht sich Siegfried Kirschen mehr Aufmerkamkeit
für Futsal, eine der jüngeren FIFA-Disziplinen. Dieser
schnelle Hallenfußball wird ohne Bande gespielt. Wir
haben so viele ungenutzte Hallen; das ist eine Bereicherung,
sagt der Top-Schiedsrichter, der noch in der Bundesliga als Beobachter
tätig ist. Angefangen hat er als Fußballer mal in Karl-Marx-Stadt.
Der Sprung aus den A-Junioren in die Oberliga war für
mich zu groß, da habe ich in der 11.Klasse die Schiri-Prüfung
gemacht. So fing eine Karriere an...
Ganz ähnlich bei Jens Cyrklaff, der mal mit Olaf Besser in
Weißwasser spielte, dann aber zur damals noch schwarzen
Zunft wechselte und inzwischen seit 21 Jahren pfeift. Gestern
zum Beispiel in Essen gegen Braunschweig. Normalerweise ist die
Oberliga sein Feld, aber er wird auch als Assistent zur 2. Liga
gerufen. Seit 2000 ist er Schatzmeister im Landesfußballverband.
Viele fleißige Hände müssen sich regen, damit
die Füße treten können, weiß er, und
ihm liegt das Danksagen am Herzen. Finanziell gehe es dem Fußball
nicht schlecht; immerhin kann sich die medienwirksame Sportart aus
vier Quellen speisen: Zuwendungen des Landessportbundes für
die Verwaltung, aus dem Fachministerium kommen die Trainerzuschüsse,
vom DFB aus dem Medieneinspiel der Großen die Basisfinanzierung
und schließlich ermöglichen die Beiträge das Vereinsleben.
Jens Cyrklaff hofft, daß da einige Euro drüber bleiben
für das DFB-Net, das gerade im Aufbau ist. Speisen da viele
Köpfe ein, kann künftig jeder überall alle Ergebnisse
ganz schnell abrufen. Eine tolle Idee.
Die gefällt auch Angela Hahn, einer der noch nicht so zahlreichen
Schiedsrichterfrauen. Kompetenzprobleme erlebt sie kaum. Eine
strenge Entscheidung, dann läufts, sagt sie. Als
ihr Bruder 16 war und nach Vaters Vorbild Schiedsrichter wurde,
war sie 14 und schon fest entschlossen, den Weg ebenfalls zu gehen.
Inzwischen ist sie bei der Kreisliga angekommen und pfeift im April
ihre erste Landesklasse-Partie. Ihr Vater bleibt ihr wichtigster
Beobachter, und das findet sie gut so. Ob der das auch
gut fand, als seine Tochter Fußballschiedsrichter werden wollte,
fragt Moderator Joachim Rohde. Weiß nicht, ich hab
ihn damals nicht gefragt, antwortet prompt die Gastro-Azubi,
die mit einem 1,1-Abi ein Politikwissenschaften-Studium startete
und wieder schmiß. Die studentische Stimmung in Berlin
ist nicht mein Ding...
Für Streik - fast schon Berliner Regelfall - wäre auch
Mike Kaiser nicht, der Werbener Bau-Polier, der seinen harten Job
in Berlin macht und sich als Schiedsrichter bis in die Oberliga
gearbeitet hat. Natürlich gibt es in der Rolle auch mal Ärger:
Ein Winterspiel der Landesklasse in Calau mußte mal
abgebrochen werden, weil wir Schiedsrichter mit Schneebällen
förmlich abgeschossen wurden.
Fehler? Klar, die gibts. Man erkennt sie oft gleich
nach dem Pfiff selbst. Dann aber ausgleichend für
die andere Seite zu pfeifen, wäre ein Fehler mit Vorsatz. Und
der darf keinem Schiedsrichter unterlaufen. - Eine klare Lektion
von FIFA-Schiedsrichter Kirschen, dem Blamagen auch nicht erspart
blieben. Ich zog gegen Streich in Magdeburg mal Rot statt
Gelb. Ein Witzbold hatte in der Kabine meine Karten in den Hemdtaschen
vertauscht.
Wie das ausging? Ich habe Rot zurückgenommen und Gelb
gegeben. Was sonst! |
Frühlingshafte Schiedsrichterrunde im
Sport-Mix mit Angela Hahn, Jens Cyrklaff, Siegfried Kirschen, Mike
Kaiser und Moderator Joachim Rohde
Foto:
J. Heinrich |