Cottbus.
Wenn sie mit dem Einkaufswagen an der Kasse steht, kann es vorkommen,
daß irgendeine Frau sie mustert und bald flüstert: Ich
kenne Sie. Frau Khamlane lächelt dann verständnisvoll,
denkt: Gleich wird sie, wie so viele, sagen: Sie haben doch
mein Kind geholt...
Ja, wenn sies überschlägt, hat sie wohl in ihren
Jahren hier am damaligen Bezirkskrankenhaus, dem heutigen Klinikum,
ab 1986 so um die
5 000 Babys auf die Welt geholt. Das sind jetzt die fast erwachsenen
13- bis 18-jährigen Cottbuser, eine Groß-Disco voll...
Damals - sie meint vor der Wende - hatten wir
über 2000 Kinder im Jahr, oft reichten die Betten nicht.
Ihr ewig freundliches Lächeln bekommt bei dieser Erinnerung
an Geburtenfreude und Familienförderung etwas Nachdenkliches:
Kinder sind das Schönste und auch Wichtigste im Menschenleben.
Ihre Mutter war Kinderkrankenschwester, und da hat sich ihr Berufswunsch
schon gefestigt, als die Familie grad vom Lande in die Hauptstadt
Vientiane zog, mit 500 000 Einwohnern die größte Stadt
von Laos. Ihr Vater war Bankangestellter, verdiente gut und sorgte
sich um die Bildung der acht Kinder; drei von ihnen wurden Ärzte
wie Khamlane.
Studiert habe ich noch in Laos, erzählt die sehr
viel Mütterliches ausstrahlende Frau. Dann ergab sich die Chance
zur Facharztausbildung in der DDR. Zusammen mit Kollegen aus
Vietnam, Kambodscha und Pakistan waren wir zuerst im Deutschkurs,
und dann kam ich gleich nach Cottbus.
Und von dieser Stadt schwärmt sie bis heute. Dabei,
sagt Monebaudith, die jüngere Tochter, hat Mama eigentlich
immer nur gearbeitet, was anderes kennt sie gar nicht. Tatsächlich:
Nach der Klinikumzeit kamen Perioden in Krankenhäusern in Spremberg,
Herzberg und zur Zeit in Pirna. Aber immer hatte die Ärztin
Heimweh nach Cottbus. Sie erklärt das auch: Ich habe
hier so gute Kollegen und wunderbare Freunde - Cottbus ist für
mich der schönste Ort auf der Welt.
Die Töchter müssen schmunzeln. Ninaphone (26) hat gerade
ihr Umweltingenieurstudium an der BTU abgeschlossen: Ich kenn
gar nichts anderes als Cottbus, war immer hier, erzählt
sie und schwindelt ein bißchen. Sie hat als Kind noch die
Laos-Sprache gelernt, und wenn sie etwas Berufserfahrung hat, will
sie in die Entwicklungshilfe gehen, vielleicht sogar nach Laos.
Monebauhdith (24) studiert Biologie an der Berliner FU, befaßt
sich mit Genetik. Naja, schränkt sie ein, ein
Fremdenproblem haben die Cottbuser schon. Sie denken irgendwie enger
als wirkliche Großstädter, schauen lieber weg, wo ihnen
etwas fremd vorkommt, ich spür das...
Die Mutter hört aufmerksam zu. Sie hat viel Hoffnung, daß
die Menschen auskömmlich miteinander umgehen, ihre Sorgen relativieren.
Wo Kinder geplant und gewünscht werden, ist immer Platz für
solche Hoffnung.
Nein, es war auch nicht schön, als so unheimlich viele Schwangerschaftsabbrüche
üblich wurden in den späten DDR-Jahren. Auch dafür
reichten die medizinischen und räumlichen Kapazitäten
kaum. Es sei gut, daß heutzutage schon sehr früh in der
Schule sehr offene Aufklärung und Information einsetzt, bestätigen
auch die Mädchen.
Die erfahrene Ärztin schlägt sich in den Beratungsangelegenheiten
nicht gern auf eine der Seiten der Polemik. Es soll immer
so sein, wie die Mutter es will. Das ist ihr Prinzip, gefestigt
aus vieltausendfachem Mutterglück, das sie schaffen half, und
wohl auch aus manchem miterlebten Schmerz.
Heute sind fast immer die Väter bei der Geburt dabei. Das
ist wundervoll, sagt die Ärztin, die nicht jede Mode gutheißt,
aber jede Fortbildung wichtig nimmt - heute noch genauso, wie ganz
am Anfang.
Kein Geheimnis: Letztes Jahr wurde Frau Khamlane Yinnavong 50, dieses
Jahr erfüllt sie sich einen Traum. Sie geht in ihre private
Niederlassung, übernimmt eine Praxis. Natürlich
in Cottbus! Vielleicht wird sie die Mutti aus der Kassenschlange
und manche andere, die sie im großen Moment der Geburt begleitete,
als Patienten wiedertreffen. Wer weiß... H. |
Die Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe bei
der Arbeit. Für Khamlane Yinnavong hört schon wegen der
Segnungen der Technik die Weiterbildung nie auf
Foto: Dahl
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