Er habe sich
nie als "Mann ohne Gesicht" gefühlt, sondern stets
als Journalist, betonte Ex-Geheimdienstchef Markus Wolf. Schließlich
sei "die Tätigkeit eines Journalisten gar nicht so weit
von den Aufgaben eines Nachrichtendienstes entfernt", so der
einstige Generaloberst.
Markus Wolf entstammt einer berühmten Künstlerfamilie.
Der Bruder, Konrad Wolf, schrieb in Babelsberg Filmgeschichte. Mit
seinem Vater Friedrich Wolf, einem der bedeutendsten deutschen Dramatiker,
ist Markus Wolf durch vielfältigste Erinnerungen verbunden.
Bereits in seiner frühen Kindheit begeisterte sich der Sohn
für die Aufführungen der vom Vater verfaßten Stücke
am schwäbischen Bauerntheater. Friedrich Wolf arbeitete stets
emsig, selbst im Urlaub an der Küste bei den Bootstouren führte
er immer ein Blatt Papier für neue Werke mit sich. Der Vater
hätte seinen Sohn Markus zwar lieber als Journalisten oder
Schriftsteller gesehen, jedoch akzeptierte er die sich abzeichnende
nachrichtendienstliche Laufbahn seines älteren Sohnes.
Im Mittelpunkt im PolitPiano stand die Vorstellung des jüngsten
Werkes aus der Feder von Markus Wolf. "Freunde sterben nicht",
so der Titel seines "persönlichsten" Buches. Es handelt
von menschlichen Beziehungen, oftmals angefüllt mit Konflikten.
Diese ergaben sich zumeist aus der Unterordnung von Beziehungen
unter ideologische Zwänge. Der Tod des engsten Schulfreundes
Martin war der Auslöser dieses Buches. Martin, als ein begeisterter
Soldat in der Wehrmacht und Markus als Emigrant in der UdSSR sind
durch tiefste ideologische Gegensätze voneinander getrennt.
Als sich die beiden Männer nach einem halben Jahrhundert wiedersehen,
entsteht trotz aller Differenzen erneut eine innige Freundschaft.
Markus Wolf gibt seinen sehr zahlreich im "DoppelDeck"
erschienenen Gästen eine kleine literarische Kostprobe aus
diesem Werk.
Angesprochen auf seine Laufbahn, bezeichnet Markus Wolf den XX.
Parteitag der KPdSU im Februar 1956 als den gewaltigsten Schnitt
in seinem politischen Leben. Die Abrechnung mit den Verbrechen Stalins,
dem er selbst einmal persönlich die Hand schütteln durfte,
prägte Wolf für seinen weiteren Lebensverlauf.
Sein Mitwirken beim Sturz des einstigen Bundeskanzlers Willy Brandt
durch die sogenannte "Guillaume-Affäre" betrachtet
der damalige Gegenspieler von BND-Chef Klaus Kinkel als "Eigentor",
zumal er diesen Skandal nicht als den einzigen Grund für den
Rücktritt Brandts sieht. Jedoch stimmt die weitverbreitete
Mutmaßung nicht, daß Wolf für diese Ereignisse
den Karl-Marx-Orden erhielt. Den Orden bekam er "erst"
nach seiner Ausscheidung aus dem Dienst.
Markus Wolf betrachtet seine nachrichtendienstliche Tätigkeit
noch heute als Dienst für die Friedenserhaltung. Jedoch befielen
ihn ab Mitte der siebziger Jahre immer mehr Zweifel an den realen
Zuständen in der DDR (Beispiel Biermann-Ausbürgerung 1976).
Als Markus Wolf Mitte der achtziger Jahre aus dem Dienst freiwillig
ausschied, war sein oberster Chef Erich Mielke nicht allzu böse,
da das Verhältnis zwischen den beiden Geheimdienstlern "nicht
so gut" war.
Auch das derzeit brennendste Thema, der Irak-Krieg, kam zur Sprache.
"Wenn die DDR und die UdSSR noch als Gegengewicht zu den USA
existieren würden, wäre es nicht zu diesem Krieg gekommen",
so Wolf. Für diese Aussage erntete er einen anhaltenden Applaus
des Publikums.
Zu den möglichen Chancen von Sozialismus und Kommunismus bemerkte
Markus Wolf, daß das untergegangene System nichts mehr mit
den früheren Idealen gemein hatte. Jedoch sei lediglich die
Realität gescheitert, nicht die Vision. Persönlich sehr
enttäuscht zeigt sich Wolf vom einstigen Sowjetführer
Michail Gorbatschow, da er nach der Wende nichts gegen die Strafverfolgung
zum Beispiel der DDR-Oberen unternahm. Gorbatschow beging einen
"Verrat an engsten Freunden".
Im Schlußwort des Markus Wolf war ein gewisser Stolz auf sein
Lebenswerk zu verspüren, denn er verglich die Strukturen des
einstigen Hauptfeindes, dem BND, mit einer "Verwaltung für
Wasserwirtschaft".
Torsten Richter
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"Das System, in dem wir heute leben, kann nicht das letzte Wort
in der Geschichte sein" - Markus Wolf, bis 1986 Geheimdienst-Chef
der DDR, denkt über Fehler und Erfolge nach und über Märchen,
die er, dem Vorbild seines berühmten Vaters folgend, schreiben
will. "Ich hätte wohl schon früher damit anfangen sollen..."
überlegt er bei Gabi Grube auf dem PolitPiano-Podium
Foto: Hnr. |