Cottbus
(tr). Mit dem rasanten Rückgang des Braunkohlenbergbaus in
der Niederlausitz verlor unsere Region ihr weit über 100-jähriges
Identifikationsmerkmal. Damit sind sowohl gewaltige landschaftliche
Umbrüche in Form der Tagebaue und Bergbaufolgelandschaften
verbunden, aber ebenso eine enorme Bevölkerungswanderung.
Dieser Thematik nahm sich am Montag der Geschichtsstammtisch des
Pressecafés "DoppelDeck" unter Moderation von Steffen
Krestin an. Als Referent war diesmal Prof. Günter Bayerl vom
Lehrstuhl für Technikgeschichte der Cottbuser BTU zu Gast.
Der Lehrstuhl Technikgeschichte beschäftigt sich mit Fragen
des Aufstiegs und Niedergangs von Industriesystemen. Den ersten
industriellen Umbruch in der Niederlausitz markiert der Beginn der
maschinellen Braunkohlenförderung am Ende des 19. Jahrhunderts.
Die Anzahl und Größe der Tagebaue und der Fördertechnik
stieg stetig an. In der DDR-Zeit wurde die Braunkohlenförderung
stark intensiviert. Die Bevölkerungszahlen stiegen; Dörfer
wurden zu Städten, Städte zu Großstädten.
Bedingt durch die politische Wende 1989/90 widerfuhr der Niederlausitz
die zweite große Umbruchswelle, hervorgerufen durch den Niedergang
der Braunkohlenförderung. Laut Prof. Bayerl ist die Beseitigung
der Landschaftsschäden durchaus realisierbar (z.B. Lausitzer
Seenkette). Jedoch stellt die Meinung, daß die alten Industriestrukturen
erhalten oder restauriert werden könnten, lediglich eine Illusion
dar. Die Niederlausitz wird sich mittelfristig vom Status einer
klassischen Industrieregion verabschieden müssen, wobei die
"industriellen Leuchttürme" als "technisches
Habitat" erhalten bleiben werden. Somit ist seit über
einem Jahrzehnt eine erneute Bevölkerungswanderung im Gange.
Im Schlußwort kam der Referent auf den Bevölkerungsschwund
direkt in Cottbus zu sprechen: "Ich wünsche mir lieber
eine Kleinstadt ohne ECE als eine Großstadt mit ECE".
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Historiker Prof. Günter Bayerl äußerete sich im Presse-Café
"DoppelDeck" in der WernerPASSAGE zu den industriellen Umbrüchen
in der Vergangenheit und Gegenwart unserer Heimat
Foto: Denis Kettlitz |