aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Das Land sucht sein Profil
Finanzministerin Dagmar Ziegler über Goldgräberei in leeren Fässern,
mütterliche Positionen zu Kita-Normen und Brandenburgs Reichtümern

Die Lasten ihres "Knochen-Jobs" sind ihr nicht anzumerken. Heiter, aufgeschlossen und sehr kompetent präsentierte sich Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) Donnerstag im dichtbesetzten Presse-Café. Das Unwort von der "Giftliste" paßt weder zur Person noch zur Sache, um die es in Brandenburgs Konsolidierung der Finanzen geht. Als Politikerin habe sie keinesfalls die Sparwut gepackt, sagte die heute 42jährige Finanzwirtschaftlerin (Studium 1980-84 an der Humboldt-Uni Berlin), sondern es gehe ihr um die Handlungsfähigkeit des Landes und darum, das Geld so einzusetzen, daß es dem Land etwas bringt. "Brandenburg ist nicht arm, wir haben zehn Milliarden Euro im Haushalt", erklärte sie. Um Verschuldung nicht weiter wachsen zu lassen, müßten Prioritäten gesetzt werden. "Wir müssen das Profil unseres Landes definieren, sagen was wir wollen." Die Ministerin formulierte hier den Anspruch hoher Qualität produktionsbezogener Wissenschaft und Forschung. "Deshalb wird sich Frau Professor Wanka für Kürzungen im Kulturbereich, nicht aber für weniger Ausgaben in den Hochschulen entscheiden", erläuterte Dagmar Ziegler. Die BTU Cottbus sei solch ein Zukunftsprojekt. "Von hier erwarten wir Leute für eine starke Wirtschaft" Deshalb gebe es bei der Bildung insgesamt auch keine Kürzungen, sondern mehr Ausgaben. Bis 2007 soll die Zahl der Studienplätze im Land um 3 500 zunehmen.
Unvermeidlich sind Einsparungen bei Sozialleistungen, Subventionen an öffentliche und private Unternehmen und bei Personal. Zum heftig diskutierten Kita-Anspruch argumentierte die Politikerin ausdrücklich als Mutter und erntete starken Beifall: "Kinder von 0 bis 3 Jahren brauchen nicht die Kita, sondern die Mutter. Wir werden also hier nur noch fördern, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht".
Aus eigener Biografie zitierte Dagmar Ziegler einen wünschenswerten Lebensentwurf: Wenn jemand arbeitslos wird, bleibt es ihm durchaus möglich, ehrenamtlich und politisch aktiv zu sein. Sie selbst wurde 1990 als Ökonomin einer LPG in der Prignitz ihren Job los, wurde für die Stadt Lenzen aktiv, gründete einen SPD-Ortverein, wurde 1993 Bürgermeisterin, ab 1994 zusätzlich Mitglied des Landtages.
Am Beispiel der Frauenförderung verwies die Ministerin auf die Reserven. Man werde Frauenhäuser weiter finanzieren, weil dort Frauen in Not mit ihren Kindern wirklich Hilfe brauchen; die Arbeit von Frauenzentren aber gehöre in den Bereich des Ehrenamts. Hier werde es ab Sommer kein bezahltes Personal mehr geben.
Die Liste bekanntgewordener Sparnotwendigkeiten kommentierte die SPD-Politikerin nüchtern: "Daß das noch nicht alles war, ist doch jedem klar." Es gibt hohe Steuerausfälle aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage. In Brandenburg nach Einnahmereserven zu suchen, sei wie Goldgräberei in einem leeren Faß, zeichnete sie ein hoffnungsloses Bild.

Dennoch blieb der Grundton optimistisch. "Wir können uns eben nicht mehr alles und immer auf hohem Niveau leisten", hieß es. Jetzt gehe es überall um intelligente Lösungen, auch bei der Neuorientierung des Staatstheaters, das keinesfalls aufgegeben sei. Sie riet hier, das Schweriner Modell zu studieren.

Hintergrund:
Der Haushalt Brandenburgs umfaßt in diesem Jahr knapp zehn Milliarden Euro. Allerdings: Zehn Prozent davon werden für Zinsen gebraucht. Landesschulden von 13 Milliarden Euro und die Altschulden des Wohnungsbauvermögens kosten jährlich eine Milliarde Euro Zinsen. Jeder Brandenburger ist derzeit mit 5 214 Euro verschuldet. In einem Gutachten hat der Frankfurter Wirtschafts-Professor Seitz vorgerechnet, daß die Brandenburger heftig über ihre Verhältnisse leben. Pro 100 000 Einwohner leistet sich das Land 570 mehr Landesbedienstete als vergleichbare westliche Bundesländer. Seitz rät, im Land 15 000 Stellen und in den Kommunen weitere 10 000 Stellen zu streichen.
Weitere Einsparungen und Kürzungen sind beispielsweise vorgesehen:
8 Millionen weniger Kitazuweisungen am Kommunen
9,3 Millionen weniger Zuweisungen an Schulen (bei deutlichem Rückgang der Schülerzahlen)
0,8 Millionen weniger Zuschüsse an private Gymnasien
2,2 Millionen weniger Sportförderung
1,7 Millionen Einsparungen im Landesjugendplan
Weitere Einsparungen u.a. bei Kulturprojekten.

 




Das Moderatorenpaar Gabi Grube und Dennis Kettlitz in Gesellschaft von Finanzministerin Dagmar Ziegler und Oberbürgermeisterrin Karin Rätzel
Mit Sparschwein und immer gut gelaunt: Finanzministerin Dagmar Ziegler am Ende eines spannenden und kurzweiligen PolitPiano-Abends mit Oberbürgermeisterin Karin Rätzel (r.) und dem Moderatoren-Paar Gabi Grube und Denis Kettlitz

Konzertpianistin Elena Viogradova begleitete das Gespräch mit romantischer Flügelmusik
Mit romantischer Klaviermusik auf dem historischen Philipp-Flügel aus Forst begleitete die Petersburger Konzertpianistin Elena Vinogradova das Gespräch um die knappen Brandenburger Kassen
Fotos: Hnr
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