Es war der
25. Juni. Die Cottbuser Stadtverordneten hatten die letzte Sitzung
vor der Sommerpause hinter sich gebracht. Das politische Leben
in der Stadt kochte fortan auf Sparflamme. Urlaubszeit war angesagt.
Es hieß Kraft schöpfen für einen heißen
Herbst, dessen politischer Höhepunkt die Kommunalwahl am
26. Oktober bilden wird.
Noch einmal war für die Stadtspitze und die führenden
Kommunalpolitiker repräsentieren angesagt - nämlich
beim Cottbuser Stadtfest vom 27. bis 29. Juni. Und die Veranstaltung
stellte in diesem Jahr alles bisher Dagewesene in den Schatten.
Geschätzte 160 000 Menschen feierten eine rauschende Fete
auf sehr hohem Niveau. Cottbus präsentierte sich von seiner
schönsten und weltoffensten Seite. Die Gäste aus Nah
und Fern waren angetan vom reichhaltigen Kulturangebot, von der
guten Stimmung und vom breiten gastronomischen Angebot. Alle waren
zufrieden, bis auf ein paar wenige, immer Unzufriedene, die sich
über den Lärm beschwerten.
Dann tauchte ab, wer abtauchen konnte. Die Oberbürgermeisterin
zog es nach Irland. Mit dem Wohnmobil wurde das Land der Kelten
erkundet. Nur ein einziges Mal wurde die Cottbuser Sommerruhe
unterbrochen, das sogenannte Sommerloch mußte gefüllt
werden.
Das geschah in diesem Jahr mit Hilfe einer Studie der Fachhochschule
Lausitz, die eigentlich das Kaufverhalten und die Zufriedenheit
der Cottbuser mit ihren innerstädtischen Einkaufsmöglichkeiten
erkunden sollte. So ganz zufällig gab es da aber
auch noch die Frage, wie zufrieden man denn mit der Arbeit der
Oberbürgermeisterin, der Stadtverordneten und der Verwaltung
sei. Und im Ergebnis waren etwa 50 Prozent damit zufrieden beziehungsweise
unzufrieden. Je nach Sichtweise des Beobachters. Böse wäre
in diesem Zusammenhang der alte Spruch der Empiriker (das sind
die Menschen, die solche Studien erstellen) Trau keiner
Statistik, die du nicht selber gefälscht hast. Aber
die Frage der Bewertung sei erlaubt. Gibt es in anderen Städten
gleicher Größenordnung ähnliche Studien? Sind
50 Prozent Zufriedenheit in Zeiten großen Politikverdrossenheit
ein gutes oder ein schlechtes Ergebnis? Handelte es sich bei den
Fragestellern um geschulte Kräfte? Jürgen Heinrich hat
diese Fragen im Märkischen Boten seriös
und sehr tiefgründig zu beantworten versucht.
Nach ein paar Tagen mit gekünstelter Aufregung war das Thema
aber auch wieder durch. Die Jahrhunderthitze hatte die Menschen
fest im Griff. Biergarten und Schwimmbad waren wichtiger als irgendwelche
Studien.
Knapp zwei Wochen später gab es dann die nächste hochsommerliche
Unterbrechung. Am 4. August, einhergehend mit dem 1. Heimspiel
von Energie gegen Eintracht Trier, wurde die neue Osttribüne
im Stadion der Freundschaft feierlich eingeweiht. Die ausführende
Baufirma übergab den Schlüssel an die Oberbürgermeisterin,
diese reichte ihn symbolisch weiter an Energie-Präsident
Dieter Krein. Gäste, darunter sehr viele aus Polen, die die
Einrichtung ebenfalls nutzen sollen, und Fußball-Fans applaudierten
höflich. Doch Geyers Truppe war anscheinend nicht nach Feiern
zumute. Nach einem Grottenkick setzte es eine 2:3-Niederlage gegen
Trier.
Und nicht nur Kapitän Beeck & Co. präsentierten
sich als Spielverderber. Die Cottbuser SPD wollte wohl auch keine
ungetrübte Feier. Völlig unnötigerweise wurde die
Förderfähigkeit des Projektes kritisch hinterfragt und
die Europäische Union als Fördermittelgeber aufgeschreckt.
Die Investitions- und Landesbank (ILB) stoppte erst einmal die
Auszahlung. Im Rathaus gab es nachdenkliche Gesichter. Bis zum
heutigen Tag ist die Finanzierung nicht endgültig geklärt.
Durch diese Aktion wurde vieles kaputt gemacht. Was da wohl der
Antrieb innerhalb der Cottbuser SPD war? Im Zuge dieser spezialdemokratischen
Harakiri-Aktion wurde gar ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren
gegen Alt-Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt eingeleitet.
Subventionsbetrug im Zusammenhang mit der Tribünenfinanzierung
lautete der Vorwurf. Das Verfahren wurde glücklicherweise
eingestellt. Hoffentlich löst sich die ganze sogenannte Affäre
in Wohlgefallen auf und die ILB überweist die ausstehenden
Gelder. Ansonsten würde das Loch im städtischen Haushalt
noch größer.
Teile der SPD wüteten auch nach der Sommerpause weiter, zum
Schaden der Stadt. Da warf der Stadtverordnete Volker Thummerer
auf dem Wahlparteitag der SPD Oberbürgermeisterin Karin Rätzel
eine gewisse Nähe zur Schill-Partei vor. Was wollte der sympathische
Hobby-Politiker damit bezwecken? Es stimmt, daß Karin Rätzel
dieser Partei, die in der Freien und Hansestadt Hamburg seit geraumer
Zeit als Partner in einer Koalition mit FDP und Christdemokraten
relativ erfolgreich regiert, zum Wahlsieg gratuliert hat. Weder
Verfassungsschutz noch andere staatliche Aufsichtsorgane ermitteln
auf irgendeine Art und Weise gegen diese Partei. Und die Christdemokraten
gehen sicherlich nicht mit undemokratischen Parteien Koalitionen
ein. Schon gar nicht in Hamburg, einer Stadt die seit jeher den
Ruf hat, liberal und weltoffen zu sein.
Was wollte der SPD-Stadtverordnete, der selbst schon Probleme
mit demokratischen Gepflogenheiten hatte, bezwecken? So verließ
er nach Angaben eines anderen Parlamentariers während einer
hitzigen Debatte die Cottbuser Stadtverordnetenversammlung mit
den Worten Macht doch euern Sch... alleine. So etwas
macht man doch auch nicht.
Fakt ist, daß dieses sozialdemokratische Störfeuer
gegen das Stadtoberhaupt wirkungslos verebbte. So wie der berühmte
Sturm im Wasserglas.
Apropos Stadtverordnetenversammlung: Die Legislaturperiode geht
unwiderruflich zu Ende. Am Mittwoch trifft man sich zur letzten
Sitzung am Altmarkt 21. Oberbürgermeisterin Karin Rätzel
sieht dies mit einem weinenden Auge. Nach anfänglichen Reibereien
im letzten Jahr gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen Stadtspitze
und Legislative sehr fruchtbar. Ich glaube, wir haben uns
aneinander gewöhnt. Mit der Stadtverordnetenversammlung in
der jetzigen Zusammensetzung hätte ich auch weiter arbeiten
können, sagte die Stadtchefin, die sehr gespannt ist,
wie sich das Kommunalparlament in der nächsten Legislaturperiode
zusammensetzen wird. Ich hoffe auf eine Fortsetzung der
konstruktiven und qualifizierten Zusammenarbeit, erklärte
die parteilose Kommunalpolitikerin. Fakt ist, daß der Wahlkampf
allmählich in seine heiße Phase geht. Man darf gespannt
sein, ob es den unabhängigen Wählergruppierungen gelingt,
die Phalanx der großen Parteien zu durchbrechen. Variatio
delectat - Abwechslung erfreut, heißt es im lateinischen
Sprichwort. Sie erfreut aber nur, wenn die politische Arbeit zum
Wohle der Stadt fortgesetzt wird.
Denn die neuen Abgeordneten haben eine Menge Arbeit vor sich.
Im Schulterschluß mit der Stadtverwaltung gilt es, die maroden
Cottbuser Finanzen zu sanieren. Daß diese marode sind, dafür
sind die Finanzer im Rathaus nur bedingt verantwortlich. Die Kommunalfinanzgesetzgebung
des Bundes hat aus blühenden Städten und Gemeinden arme
Schlucker gemacht. Nur durch neue Gesetze kann der finanzielle
Kollaps abgewendet werden. Ebenso klar ist, daß die Verwaltung
weiter eisern sparen muß. Und daß dieser Wille in
den einzelnen Fachdezernaten der Stadtverwaltung vorhanden ist,
wurde auf der letzten Sitzung des Finanzausschußes am 16.
September deutlich.
Ein ganz anderer Wille wurde am 8. September in einem Brief bekundet.
Nämlich der des potenziellen Bauherrn, das Cottbuser Innenstadtkino
nun doch endlich bauen zu wollen. Fast zeitgleich erfolgte eine
mehr oder weniger peinliche Attacke von Spree-Neiße-Landrat
Dieter Friese, den Schwarzbau des Groß Gaglower Kinos vor
den Toren der Stadt nachträglich zu legitimieren. Der sogenannte
Kinostreit war wieder einmal voll entbrannt. Doch wie schrieb
die Lausitzer Rundschau sinngemäß und sehr treffend:
Durch Frieses Aktivitäten wird der Schwarzbau auch nicht
weißer. Die Rechtssprechung in der unendlichen Geschichte
hat sich klar im Sinne der Stadt Cottbus artikuliert. Das müßte
eigentlich auch der Forster Landrat akzeptieren.
Auf den Start eines weiteren bedeutenden Cottbuser Bauvorhabens
wartet inzwischen die Bürgerschaft. Genauer gesagt: mindestens
die Hälfte. Das sind die 50 Prozent, die für die Errichtung
des einstmals umstrittenen ECE-Einkaufszentrums sind.
Selbst Karin Rätzel, einst Gegnerin des Vorhabens in der
aktuellen Form, wünscht sich, daß es endlich
losgeht. Denn Stillstand bedeutet Rückschritt. Nachdem
die Baugenehmigung erteilt ist, fehlt nur noch der erste Spatenstich
des Hamburger Investors.
Und dieser Hamburger Investor wird nicht in irgendeiner Stadt
bauen. Cottbus ist schließlich eine der Kommunen, die vom
Qualitätssender 3SAT den Kultur-TÜV-Stempel verliehen
bekommen haben. So schlecht können die sogenannten weichen
Standortfaktoren, zu denen auch die Kultur gehört, in der
Lausitzmetropole gar nicht sein. Ein Pfund, mit dem es zu wuchern
gilt. Vor allem hinsichtlich der neuen Situation, die sich ab
Mai des nächsten Jahres ergeben wird. Dann ist Nachbar Polen
in der EU, dann wird sich trotz aller Freundschaft, die inzwischen
gewachsen ist, ein wirtschaftlicher Konkurrenzkampf entwickeln.
Und die Nachbarn im Osten sind eifrig dabei, ihre Hausaufgaben
zu machen.
Am vorletzten Wochenende konnte sich davon eine Cottbuser Delegation
in der Partnerstadt Zielona Gora überzeugen. Fazit von Sozialdezernentin
Christina Giesecke, die mit von der Partie war: Es ist beeindruckend,
beispielsweise das Bildungssystem in Polen kennenzulernen. Unsere
Nachbarn sind uns stellenweise weit voraus. Aussagen, die
zum Nachdenken anregen.
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Der Journalist Michael Schlick, Autor dieser Chronik, ist persönlicher
Mitarbeiter der Cottbuser Oberbürgermeisterin
Foto:
D. K.
Die Cottbuser Oberbürgermeisterin Karin Rätzel (r.)
und die Stadtpräsidentin von Zielona Gora, Bozena Ronowicz,
unterzeichneten am 14. September eine Jahresvereinbarung zur engeren
Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Kultur, Sport und Bildung
Eine Cottbuser Delegation auf den Stufen vor dem Rathaus in Zielona
Gora. Christina Neumann, Europabeauftragte der Stadt Cottbus,
Oberbürgermeisterin Karin Rätzel und Christina Giesecke,
Sozialdezernentin
(v.l.n.r.)
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