Cottbus
(tr). Ich denke, daß die Kritik heute auf ein niedriges
Niveau abgesunken ist. Schließlich bin ich die Voraussetzung,
daß die Kritiker leben können, denn ich selbst könnte
auch ohne sie leben, erzählt Wolf Bunge, neuer Schauspieldirektor
im Staatstheater mit forscher Stimme.
Theater-Baumaterialien
Mit dem lausitzspezifischen Stück Sand, der ersten
Inszenierung Wolf Bunges in Cottbus, ist er selbst zufrieden.
Bunge betonte, daß Leute, die mich nach der Premiere
ansprachen, daß Stück gut fanden. Zudem wurden
die gesprochenen Texte aus Bibliotheken und nicht aus Touristenführern
entnommen. Des weiteren sei die Mund-zu-Mund-Propaganda
viel entscheidender als die Kritiker, so Bunge. Für das
Stück Sand plant der Schauspieldirektor bereits
zwei Fortsetzungen: so heißt der zweite Teil Kies,
Teil drei trägt den Namen Schotter. Doch die nächste
Inszenierung stellt mit den Drei Schwestern von Anton
Tschechow einen Klassiker dar. Im Mai 2004 folgen dann die Nibelungen.
Klassische Stücke werden beim neuen Schauspieldirektor eine
große Rolle spielen, kündigt Bunge an. Die
ersten Eindrücke von den Cottbuser Schauspielern bezeichnet
Wolf Bunge als sehr gut. Ihm selbst sollte aber noch
bis zum Jahresende 2003 eine Art Eingewöhnungsfrist
eingeräumt werden, um die Lausitzer und ihre Mentalität
kennenzulernen.
Sprung ins Kaltwasser?
In gewisser Weise war der Wechsel von den Magdeburger Freien Kammerspielen
ans Cottbuser Staatstheater für Wolf Bunge ein Sprung
ins kalte Wasser. Den Grund dafür bildet der längst
durchgesprochene Spielplan für die vor wenigen Wochen angelaufene
neue Spielzeit.
Leben in die Kammer
Doch wird Wolf Bunge frischen Wind in die Cottbuser Theaterlandschaft
bringen. So erscheinen ihm die Kammerspiele etwas verwaist.
Es wirke dort, wenn man hereinkommt, recht unterkühlt,
stellte der Schauspieldirektor fest. Doch das soll sich bald ändern.
In der Kammerbühne ist geplant, Stücke von neueren Autoren
aufzuführen. Bunge kann sich dort auch einen nächtlichen
Spielbetrieb vorstellen: Die Kammerbühne wird unser
Experimentierfeld. Schließlich geht doch auch das junge
Publikum erst in der Nacht in die Tanzschuppen.
Theater außerhalb
Doch auch außerhalb der klassischen Räumlichkeiten des
Staatstheaters soll gespielt werden. So soll in der Ströbitzer
Theaterscheune das heitere Genre mit Possen und Schwänken
einziehen. Natürlich kann man auch im Kasernenhof in
der Lausitzer Straße Theater machen, betont Wolf Bunge.
Weitere potentielle Spielorte in der Stadt könnten
der Branitzer Park sowie alte Industriebrachen darstellen.
Brückenschicksal
Aber besonders begeistert zeigt sich Bunge von der Brücke über
die Straßenbahn in der Stadtpromenade: Ich würde sie
sofort zum Spielen mieten, doch leider wird sie ja abgerissen.
Eine Rolle, ein Spieler
An seine Magdeburger Theaterzeit erinnert Wolf Bunge die jugendlichere,
frischere Besetzung. In Cottbus gibt es zwar junge und ältere
Schauspieler, aber die Gruppe dazwischen fehlt. Unter
dem neuen Schauspieldirektor, der 1979 mit dem Stück Die
Zähmung der Widerspenstigen in Berlin diplomierte, wird
es weniger Premieren geben, um die Schauspieler besser in
neue Rollen hineinwachsen zu lassen. The-ater lebt stets
vom Probieren, mit Stillstand stirbt Theater, so Bunge. |
Ich will mit den Leuten, die ins Theater gehen, reden,
so Schauspieldirektor Wolf Bunge (re.) bei Moderator Andreas Groebe.
Denn das sei für ihn die Probe, ob er es geschafft hat, die
Leute zu erreichen. Und weiter: Wer die Leute nicht
erreicht, ist verloren
Klassische Werke, unter anderem von Johann Sebastian Bach und Robert
Schumann, präsentierte Johannes Mertsching am 119-jährigen
Piano im Presse-Café DoppelDeck anläßlich des
64. Künstlerstammtisches
Fotos: Jens Haberland |